Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
Jonathan. »Darf ich auch auf Ihre Gesundheit trinken, Sir? Und bitte erlauben Sie mir, Ihnen unsere tief
empfundene Dankbarkeit für Ihre Gastfreundschaft auszudrücken.«
|136| »Ich hoffe, die Zimmer sind bequem und zu eurer Zufriedenheit?«
»Sehr sogar, Sir.«
»Und Sie, Mina? Sind Sie mit den Vorkehrungen einverstanden? Gefällt Ihnen dieses alte Haus?«
»O ja, Sir!«, antwortete ich. »Es ist ein wunderschönes Heim. Ich habe es gleich geliebt, als ich es zum ersten Mal gesehen
habe.«
»Das freut mich. Meine Frau Nora hat es genauso empfunden. Wir verbrachten viele glückliche Jahre hier, bis zu ihrem Tod.«
Er seufzte leise und schien einen Augenblick lang gedankenverloren.
»Lassen Sie mich Ihnen versichern, Sir«, sagte Jonathan, »dass wir uns Ihnen nicht lange aufdrängen werden. Sobald ich mich
bei der Arbeit wieder eingewöhnt habe, suchen wir uns eine eigene Wohnung.«
»Wenn das Ihr Wunsch ist, so will ich nicht versuchen, Sie davon abzuhalten«, erwiderte Herr Hawkins mit einem kleinen Stirnrunzeln.
»Sie sind jung verheiratet. Zweifellos würden Sie lieber irgendwo allein wohnen, statt mit einem kranken, alten Mann wie mir
zusammenzuleben.«
»Sir!«, hob Jonathan an, doch Herr Hawkins unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Das ist völlig verständlich. Ich bin sicher, mir würde es an Ihrer Stelle genauso ergehen. Doch ehe Sie anderswo suchen,
erlauben Sie mir zumindest den Versuch, Sie anderweitig zu überreden.« Er nippte an seinem Wein und fuhr fort: »Es ist schon
immer mein innigster Wunsch gewesen, dass ihr beide eines Tages heiraten würdet. Nun, da ihr euren gemeinsamen Hausstand gründet,
möchte ich euch das Leben ein wenig leichter machen. Wie ihr wisst, hat unser Kind, unser geliebter Roger, seinen vierten
Geburtstag nicht überlebt. Nora ist nun auch schon seit vielen Jahren von uns gegangen. Ihr beide seid alles, was ich noch
habe. Ich habe euch mit Liebe und Stolz heranwachsen sehen, und ich betrachte euch als |137| mein eigen Fleisch und Blut. Ich habe beobachtet, wie Sie, Jonathan, in den letzten sechs Jahren in Ihrer Arbeit zu einem
Mann herangereift sind, der sich durch große Hingabe und Integrität auszeichnet. Und ich weiß, dass Sie ein sehr guter Rechtsanwalt
sein werden. So möchte ich euch wissen lassen, dass ich alle Papiere vorbereitet habe, um Sie, Jonathan, zu meinem Teilhaber
in der Kanzlei zu machen, und in meinem Testament vererbe ich euch dieses Haus und all meine Besitztümer.«
Jonathan und mir verschlug es einen Augenblick die Sprache. »Sir«, brachte Jonathan schließlich hervor, während er sich erhob,
»das ist … Ich danke Ihnen, Sir. Vielen Dank. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Vielen Dank ist gerade richtig, mein Sohn«, erwiderte Herr Hawkins lächelnd.
Während er und Jonathan einander die Hand schüttelten, schossen mir die Tränen in die Augen. Dann sprang ich auf und umarmte
Herrn Hawkins, wobei ich ihm dankte, und wir begannen alle zu lachen und gleichzeitig zu weinen.
Als wir uns ein wenig erholt und wieder am Tisch Platz genommen hatten, sagte Herr Hawkins: »Eine letzte Angelegenheit müssen
wir noch besprechen. Ich werde vielleicht noch zehn Jahre leben, vielleicht auch nur noch zehn Minuten, das weiß nur der Herrgott
allein. Wie ich bereits sagte, würde ich es an eurer Stelle wahrscheinlich nicht für das Wünschenswerteste halten, mit mir
hier zu wohnen. Da ihr aber wisst, dass euch dieses Haus einmal gehören wird, wäre es jammerschade, wenn ihr in der Zwischenzeit
noch woanders hinziehen würdet. Dieses Haus ist viel zu groß für eine Person. Seit Noras Tod schienen mir seine Zimmer leer.
Ein Haus braucht eine Hausfrau. Mina, ich gebe Ihnen freie Hand mit dem Personal. Sie können den Haushalt führen, wie Sie
es für richtig halten. Ihr beiden könnt hier ganz für euch leben, wenn ihr wollt; ich ziehe mich im Allgemeinen abends früh
zurück. Seht es einmal so: wenn ihr euer Heim |138| hier bei mir einrichtet, bereitet ihr einem einsamen alten Mann eine große Freude.«
»O Herr Hawkins«, erwiderte ich.
Jonathan und ich versicherten einander mit einem stummen Blick unser Einverständnis mit diesem großzügigen Vorschlag. Während
er unter dem Tisch meine Hand ergriff, sagte Jonathan: »Sir, ich glaube, ich spreche für uns beide, wenn ich sage, dass wir
Ihr Angebot mit größter Dankbarkeit annehmen.«
Wir waren an jenem Abend sehr, sehr glücklich. Ich
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