Draculas Brüder -ebup-
– vielleicht aber auch zwei oder mehr. Es war eine seltsame, unheimliche Krankheit, die Adrian beunruhigte, obgleich sie niemals von Gewalttätigkeit begleitet wurde. Sie schien den Verstand seines Bruders einzuengen und auf einen einzelnen Gedankengang oder eine einzelne Perspektive zu fixieren. Solange der Wahn andauerte, war es unmöglich, ihn aus seiner Fixierung zu lösen.
Der Blick der wilden Augen wanderte von den Fledermäusen zu Adrian.
»Komm, Bruder. Bring die Netze, die dort liegen. Es ist so wenig Zeit, bevor ...«
»Bevor wir unsere Reichtümer kassieren, Bruder?«
»Ja«, antwortete August Abelard mit stierem Blick auf Adrian, doch ohne ihn zu sehen. »Ja ... ja ...«
Am Vormittag gegen elf Uhr kam ein Besucher zu dem Landhaus in Westhampton. Man hatte ihn aus seinem Wagen steigen sehen, und so war es Professor Harmon selbst, der die Tür öffnete und mit seinem Rollstuhl gleichzeitig den Eingang blockierte.
»Sie sind Damien Harmon?« fragte der Besucher, ein großer, stämmiger Mann in einem Trenchcoat.
»Der bin ich. Und Sie sind Kriminalkommissar Navarre. Welchem Anlaß verdanke ich Ihren Besuch?«
»Mein Besuch gilt nicht Ihnen, Professor. Ich habe einen Haftbefehl für Carmelo Sanchez zu vollstrecken.«
»Das wird Mr. Sanchez interessieren. Ich werde ihn selbstverständlich informieren, wenn ich ihn sehe.«
»Ich habe Grund zu der Annahme, daß er sich augenblicklich in diesem Haus aufhält.«
Harmon zuckte mit der Schulter. »Ich sehe keine Veranlassung, irgendeine Ihrer Annahmen anzufechten, Kommissar. Aber ich muß sagen, daß es ein
recht kühler und windiger Tag ist, und daß ich die Tür ungern längere Zeit offenhalte. Wenn die Kälte erst einmal in diese alten Häuser eindringt, dauert es lange, bis man sie wieder daraus vertrieben hat.«
»Man sagte mir, Sie wären hilfsbereit, Professor.«
»Das bin ich. Ich versuche in allen meinen Handlungen im Rahmen des Gesetzes zu bleiben.«
»Aber Sie sind nicht bereit, Ihren Rollstuhl zur Seite zu fahren, so daß ich Sanchez suchen kann. »
»Richtig. Es sei denn, Sie haben zusätzlich zu Ihren anderen Papieren einen Durchsuchungsbefehl.«
Navarres fleischiges Gesicht verhärtete sich. »Es wird nicht schwierig sein, einen zu erhalten, Professor Harmon.«
»Das bezweifle ich nicht im mindesten. Aber es wird sicherlich Zeit kosten. Ich wundere mich über den Gebrauch, den Sie von Ihrer Zeit machen, Kommissar. Ich war der Meinung, daß Sie an dieser – dieser Fledermaussache arbeiten.«
»Das tue ich, Professor Harmon. Und seien Sie versichert, daß ich von meiner Zeit den richtigen Gebrauch zu machen weiß.«
»Dann schlage ich vor, daß Sie sich über die letzten Entwicklungen ins Bild setzen. Der heutige Abend könnte Ihre letzte Gelegenheit sein, den Fall aufzuklären. Leben Sie wohl, Kommissar.«
Die schwere Tür fiel ins Schloß.
Navarre starrte finster das getäfelte Eichenholz an, dann kehrte er zu seinem Wagen zurück. Als er den Motor anließ und langsam über die kiesbestreute Zufahrt rollte, verfinsterte sich seine Miene noch mehr. Dieser unverschämte alte Halunke! Ja, er kannte die letzten Entwicklungen, wie Harmon sie genannt hatte. Er hatte sie schon gekannt, als dieser seltsame Professor wahrscheinlich noch in seinem Luxusbett geschnarcht hatte. Es war eine schlaflose Nacht gewesen – kein Wunder, nach dem Erlebnis auf dem Dach der Vereinten Nationen. Trotzdem hatte er sich nach aller Hektik um sechs Uhr früh über die Akten und Unterlagen hergemacht, die er hatte prüfen wollen. Carmelo Sanchez. Über die drei letzten Jahre des Mannes war sehr wenig bekannt. Es war, als ob Sanchez nach seiner Entlassung in ein Loch gefallen und verschwunden wäre. Immerhin gab es ein paar Notizen von V-Leuten, die gehört haben wollten, daß Sanchez in ein paar Schießereien zwischen rivalisierenden Unterweltbanden in Brooklyn und Queens verwickelt gewesen sei. Das Material über Damien Harmon war ebenso dürftig, wenigstens auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen wurden indessen überraschende Zusammenhänge sichtbar. Da waren vor allem die Ermittlungsakten über die Anthony-Bande. Vor einigen Monaten war Frank Anthony zusammen mit seiner ganzen Kerntruppe ausgelöscht worden. Die offizielle Lesart war, daß es sich dabei wieder mal um einen Bandenkrieg gehandelt habe, aber wenn man sich ein wenig in die Akten vertiefte, zeigte sich bald, daß diese Version oberflächlich und unbefriedigend war. Tatsächlich hatte
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