Draculas Brüder -ebup-
Abelard kam in die Küche des alten Hauses auf dem Hügel, deren Armseligkeit von den Strahlen der Morgensonne vergoldet wurde. Er blickte in die Kaffeekanne, setzte sich und betrachtete mißmutig seinen Bruder, während er die mehrfach gebrauchte Papierserviette entfaltete.
»Wenn der Tag so schön ist, dann solltest du ihn vielleicht mit einem Kleiderwechsel ehren, hm? Oder vielleicht sogar dadurch, daß du deinen Körper mit Wasser und Seife in Berührung bringst.«
»Oho! Erwarten wir die Königin von England? Oder ist es nur der Prinzgemahl, für den ich mich besonders schmücken soll?«
»Wir erwarten niemand. Es ist ein gewöhnlicher Arbeitstag. Das heißt, für mich.«
Adrian goß Kaffee in eine Tasse und schob sie seinem Bruder hin. »Und für mich? Gibt es irgendeinen besonderen Grund, daß ich nicht wie der Landstreicher aussehen sollte, für den du mich hältst?«
»Du könntest mir behilflich sein, weißt du. «
Adrian lächelte. »Du meinst, mit den Fledermäusen?«
»Ja, mit den Fledermäusen. Hast du was gegen die Arbeit mit Fledermäusen?«
»Ich? Überhaupt nichts, denke ich. Du meinst, das Ende deines Ausbildungsprogramms sei nahe?«
»Sehr nahe.«
»Was soll ich tun?«
»Was ich dir sage. Als erstes sage ich, daß du ein Bad nehmen und saubere Kleider anziehen sollst.« Er machte eine Pause. »Nun, wie ist deine Antwort?«
Adrian Abelard steckte einen letzten Bissen Brot in den Mund und spülte ihn mit einer halben Tasse Kaffee hinunter. Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was meine Reinlichkeit dir so plötzlich bedeutet«, sagte er, »aber erwarte mich hier. Ich werde mich zur Badewanne verfügen.« Er bewegte sich zur Tür, wo er innehielt. »Was zu besagen hat, lieber Bruder, daß ich deine Anregung aufnehme. In der
Hoffnung, daß die ungewohnte Mühe sich lohnt und nicht zu einer Erkältung führt.«
August war bei seiner zweiten Tasse Mischkaffee, als sein Bruder in die Küche zurückkehrte.
»Seien Sie gegrüßt, lieber Kollege. Sind wir jetzt bereit, uns der ernsten wissenschaftlichen Arbeit zuzuwenden?«
Adrian hatte weniger als eine halbe Stunde gebraucht, aber das Ergebnis war bemerkenswert. Er war völlig verwandelt. Was eben noch ein verwahrloster Landstreicher gewesen war, war nun ...
»Was, du bist ja ich! Mit diesem Arbeitsmantel und einem sauberen Gesicht...«
»Das Haar ist noch ein bißchen lang, aber das soll heutzutage Mode sein. Oder hat sich die Mode geändert, seit wir hier oben in den Bergen leben?«
August Abelard lachte. »Wie sollte ich das wissen? Aber es ist verblüffend, wie sehr du mir gleichst! »
»Schließlich sind wir Zwillinge, Bruder.«
»Ich weiß, aber es ist so lange her ...«
»Seit meinem letzten Bad? Gewiß, das ist wahr. Aber wenn wir von nun an im Luxus leben, dann kann es vielleicht nicht schaden, wenn ich mich schon im voraus daran gewöhne, nicht?«
»Mh-hm. »
»Was hast du?« fragte Adrian, als er den geistesabwesenden Blick seines Bruders sah. »Woran denkst du?«
August schüttelte den Kopf. »Nichts, eigentlich. Ich dachte nur, daß es fast unmöglich ist, uns zu unterscheiden. Ich überlegte, wie wir das zu unserem Vorteil ausnützen könnten.«
»Ich habe schon an was gedacht, August. Wenn wir – nachdem du deine wissenschaftliche Anerkennung gefunden hast, versteht sich – ins Unterhaltungsfach gehen würden, könnten wir eine sensationelle Nummer aufbauen, mit Verschwinden und Wiedererscheinen und so. Du weißt schon, der Große Abelard und seine magischen Fledermäuse. Solange
niemand ahnt, daß es zwei von uns gibt... »
»Eine Zaubernummer in einem Varieteprogramm?«
»Es ist nur ein Gedanke. «
»Dann will ich es auch nur als das betrachten, Adrian.«
»Im Schaugeschäft ist Geld zu verdienen, Bruder.«
»Es gibt Geld anderswo, Bruder. Geld, das leichter zu kriegen ist.« August Abelards Blick wurde hart. »Nun laß uns an die Arbeit gehen.«
Sie verließen das Haus durch die Küchentür und gingen die hundert Meter zum Höhleneingang. Kaum breit genug, einen Menschen durchzulassen, war die Öffnung vor den Augen Uneingeweihter von zwei Felsblöcken, Buschwerk und dornigem Gestrüpp gut verborgen. Entdeckte trotzdem jemand den Eingang, fand er nicht so leicht den Weg zu den großen Höhlenkammern weiter unten. Die Natur hatte im Inneren eine Gabelung des Höhlenganges geschaffen, aber die Gebrüder Abelard hatten gute Handwerksarbeit geleistet und den Anschein erweckt, daß einer dieser Gänge am
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