Draculas Eisleichen
vor sich hin. Schon allein das Aussprechen des Namens ließ bei ihm eine Gänsehaut zurück. Er hörte sich schlimm an, er war eigentlich furchtbar, er versprach das Böse, das Chaos und die Zerstörung.
Noch hörte er den Motor, aber der Klang mischte sich schon bald in das Geräusch der brechenden Wellen.
Golenkow drehte sich um. Seine Bewegungen gaben seinen inneren Zustand wieder. Sie wirkten matt, deprimiert. Er hätte ihn gern gestellt gehabt, aber er war zu spät gekommen. Statt dessen tuckerte der Trawler mit den zahlreichen Zombies an Bord bereits dem neuen Ziel entgegen, bestimmt einer der zahlreichen Inseln. Golenkow wollte wieder zurück. Er mußte mit den anderen reden. Sie konnten auch nicht bis zum Hellwerden warten. Jede Minute, die untätig verging, war eine verlorene.
Er drehte sich um – und hörte das Geräusch.
Wo die Gestalt bisher gelegen oder gelauert hatte, war ihm unklar.
Vielleicht hinter den vier oder fünf Fässern, die in seiner Nähe standen und von einer dicken Eiskruste überzogen waren. Sie stieß beim Gehen noch gegen ein Faß, hatte Mühe mit dem Gleichgewicht, obwohl der Boden nicht glatt war, und Wladimir Golenkow zerrte bereits seine Handschuhe von den Fingern.
Er wußte, wer ihm da entgegenkam. Ein Zombie, der das Schiff verpaßt und es nicht geschafft hatte.
Er mußte das Fleisch gerochen haben, er folgte seinem Trieb, um den Menschen zu zerfetzen.
Wladimirs Hände waren noch immer zu steif. Er konnte die Waffe kaum halten, deshalb mußte er die zweite Hand zu Hilfe nehmen, um den Arm abzustützen.
Er war plötzlich unsicher geworden. Diese eine bleiche Gestalt bereitete ihm mehr Unbehagen als die Masse der Untoten, als sie das Lager überfallen hatten.
Es war sogar eine Frau. Sie hatte wenig Haare, quer über ihren Kopf zog sich eine Blutspur. Von der Stirn fehlte ein Teil. Dafür schimmerte dort ein dunkler Keil.
Er ging in die Knie. Wladimir hatte das Gefühl, diese Haltung einnehmen zu müssen, er hätte sonst vorbeigeschossen, weil er sich einfach zu unsicher war.
Dann schoß er.
Der Knall, das Echo, und der Treffer verschmolzen zu einer Einheit. Er sah, wie die lebende Leiche wankte, zurückfiel und dann gegen die Fässer krachte, da sie sich noch in ihrer Nähe befunden hatte.
Die Händen sanken nach unten. Der Russe hörte sich selbst atmen. Er war erleichtert, er hatte die Klippe geschafft, vor der er sich unnötigerweise gefürchtet hatte.
Die Zombies waren entkommen, er aber hatte wenigstens für sein Ego einen Sieg errungen.
Hinschauen wollte er nicht mehr. Es war unnötig. Die Silberkugel sorgte eben für das Ende.
Und so ging er zurück. Nicht denselben Weg, diesmal nahe an den Häusern der Fischer vorbei, die innen nicht so tot waren, wie sie von außen wirkten.
Einige Fenster zeigten Eiskrusten, die das Glas im unteren Drittel bedeckten. Darüber sah er hin und wieder ein ängstliches Gesicht mit ebenso ängstlichen Augen.
Einmal blieb er stehen und winkte. Der Mann hinter der Scheibe zuckte erst zurück, schließlich überwand er sich, das Fenster zu öffnen.
Wladimir sprach ihn ah.
»Der Schrecken ist vorbei.«
»Ja, ja, wir haben sie kommen sehen und wegfahren hören. Es waren die Günstlinge der Hölle. Der Teufel hat sie freigelassen. Er kündigt das Ende der Welt an.«
»Nein, Alter, nein. Es ist der Anfang.« Wladimirs eiskalte Lippen zeigten ein Lächeln. »Es ist der Anfang und gleichzeitig der Beweis dafür, daß der Schrecken vorbei ist.«
»Hoffentlich.« Der alte Mann streckte seine Hände aus dem Fenster und drückte die des KGB-Mannes. Der aber ging weiter.
Nicht erfreut, nicht beruhigt, denn er wußte genau, daß der große Kampf noch vor ihnen lag.
Als er auf die Uhr schaute, waren es noch knapp eine Stunde bis Mitternacht.
Ob das etwas zu bedeuten hatte? Jedenfalls wußte er, daß die Tageswende auch gleichzeitig die Stunde der Vampire war…
***
Wir hatten das Gelände durchsucht, in die einzelnen Häuser hineingeschaut und konnten eigentlich zufrieden sein, denn den Zombies war es nicht gelungen, weitere Opfer zu finden.
Daß wir es nicht waren, lag daran, daß einer fehlte. Ihn hatten wir nicht entdecken können.
»Ich weiß auch nicht, wo der Pilot stecken könnte«, sagte Mesrin. »Sollte er nicht bei seiner Maschine bleiben?«
»Da war er aber nicht«, murmelte ich. »Vielleicht hat er sich versteckt.«
»Das wäre zu hoffen. Nur hätte er jetzt längst erscheinen können. Warum hat er das nicht
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