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Draculas Fluch

Draculas Fluch

Titel: Draculas Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lory
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dreimal hatten seine entsetzten Schreie die Höhle nicht mehr verlassen wollen. Ihr tausendfaches Echo war zwischen den Eiswänden hin- und hergeworfen worden.
    Beim drittenmal hatte er mit geschlossenen Augen alle sechs Kugeln seines kleinen Revolvers auf das Scheusal abgefeuert. Das Echo hatte ihm fast das Trommelfell zerrissen. Schließlich war Stille eingetreten, und er hatte die Augen aufgemacht.
    Und wieder geschrien.
    Er hatte nicht einmal gesehen, ob das Scheusal wenigstens verletzt war. Wenn ja, dann nicht erheblich, denn der heiße Atem blies ihm wieder ins Gesicht, und es kam näher.
    Und näher.
    Die Vorstellung, daß es vielleicht schon an seinen gefühllosen Beinen hochkroch, raubte ihm fast den Verstand. Er wußte ja nicht einmal, was ihm das Scheusal antun würde. Vielleicht fraß es schon an seinen Beinen. Vielleicht waren nur noch Stümpfe übrig.
    Damien Harmon hätte sich verfluchen können. Warum hatte er nicht die letzte Kugel für sich selbst aufgehoben? Und dann war er wieder froh, es nicht getan zu haben. Noch nie in seinem Leben hatte er den Ausweg eines Feiglings gesucht.
    Es mußte etwas passieren. Vor ihm gähnte der Abgrund des Wahnsinns. War es das, was Ka-Zadok wollte?
    Nein. Nur nicht die Antwort auf diese Frage wissen. Die Zähne zusammenbeißen und die Folter ignorieren ...
    Und dann spürte er die Saugnäpfe an seinen Händen.
    Und Harmon schrie und schrie, bis seine Kehle rot war. Bis seine Kehle brannte und schmerzte.
    Schmerzen, ja, Schmerzen!
    Harmon schrie so lange, bis er glaubte, die Stimmbänder müßten reißen.
    Das Scheusal saß ihm bereits auf der Brust. Noch ein paar Minuten, und es würde sein Gesicht erreicht haben.
    Bei dem grauenvollen Gedanken erinnerte er sich plötzlich an die Maske. Sie mußte noch in seinem Schoß liegen. Es wollte danach greifen ...
    Harmon riß den Arm zurück, der bis zum Ellbogen in die schleimige Masse über den Saugnäpfen eingesunken war. Schreiend riß er den Kopf zurück.
    Sein Puls war so stark, daß er ihm die Adern zu sprengen drohte. Der Tod war nah. Der Tod durch Herzversagen – seit einer Ewigkeit das, womit Harmon am besten umgehen konnte. Mit der ganzen Kraft seines Willens würde er sein Herz zwingen, ihm den Dienst nicht zu versagen.
    Harmon konzentrierte sich auf das Schlagen seines Herzens, auf das Pulsieren des Bluts in seinen Adern. Sein Atem ging wieder regelmäßiger. Er wurde langsamer, die verkrampften Finger lösten sich von den Armlehnen des Rollstuhls.
    Harmon hatte plötzlich seinen Körper so in der Gewalt, daß die Organe wieder völlig normal funktionierten. Selbst die fiebrige Hitze schwand. Seine Umgebung wurde kühler und kühler, bis er fast fror.
    Er schauderte zusammen. Wie war es denn möglich, daß ihn plötzlich Schüttelfrost überfiel?
    Der Gedanke und vor allem das Fühlen kamen wie in Zeitlupe. Seine Haut war von der schleimigen Masse befreit. Der Gestank hatte sich verzogen.
    Damien Harmon machte die Augen auf.
    Das Scheusal war verschwunden.
    Harmon sah nach oben.
    Die Spitzen der Eiszapfen waren zwar nur noch einige Zentimeter von seinem Kopf und seinen Schultern entfernt, die Decke der Höhle kam aber nicht mehr weiter herunter.
    War alles vorbei? War Ka-Zadok erledigt? Hatte Dracula den Zauberer besiegt?
    Harmon sah auf die Armbanduhr. Zehn Minuten nach sechs. Er lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. War das möglich? Die Sonne ging doch erst später unter. Hatte Ktara den Mongolen auf ihre Weise außer Gefecht gesetzt? Er rieb sich die Arme. Jeden Moment konnten sie kommen und ihn aus diesem frostigen Grab befreien. Und wenn sie nicht bald kamen, dann war er vielleicht zu Eis erstarrt, und jede Rettung war zu spät.
    Unter dem mittlerweile violettschwarzen Himmel konzentrierte sieh Ka-Zadok auf die Mauer, die ihm den Weg zum Flugzeug versperrte. Das Donnern der Lawine war Musik in seinen Ohren. Ihn hatte es nur wenig Kraft gekostet, diese Bewegung des Todes auszulösen. Die Frau aber würde alle ihre Kraft brauchen, den Tempel davor zu bewahren. Auch standen ihm jetzt wieder die Kräfte zur Verfügung, die er für den Palast und die Folter des Professors gebraucht hatte.
    Ein Lichtstrahl schoß aus seiner Stirn. Mit dem Geräusch zersplitternden Glases brach die Mauer zusammen.
    Aber Ka-Zadok machte immer noch keinen Schritt vorwärts. Wie zu Stein erstarrt stand er da und tastete mit seinen Gedanken den Raum zwischen ihm und dem Flugzeug ab – und dann das Innere des Rumpfes.
    Nichts.

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