Draculas Goldschatz - Gruselroman
wäre, den Schwächling Nicolae zu ermorden?“
Das zustimmende Nicken in der Menge der Umstehenden hörte auf, als Thorka vortrat.
„Jemand - oder etwas - tötete auf diesem Berg drei Menschen. Obwohl ich in einer anderen Angelegenheit hier bin, werde ich mein Bestes tun, die Wahrheit zu ermitteln. Aber ich werde das tun, indem ich meine Hilfe der staatlichen Autorität und ihren Organen zur Verfügung stelle. Wohin würden wir alle kommen, wenn jedermann sich berechtigt fühlte, Selbstjustiz zu üben, wie ihr es heute abend versucht habt?“
„Mörder!“ sagte Stefan wild. „Mörder kennen keine Gesetze! Er, Nicolae, war auf diesem Berg. Bei Nacht war er auf dem Berg - und noch nie ist einer lebend zurückgekommen, der nachts dort oben war. Er ist zurückgekommen.“
„Ja“, sagte Thorka. „Lebend, aber ohne seinen Verstand.“
„Warum sollte er nicht den Verstand verloren haben?“ fragte Stefan. „Warum sollte seine Vernunft unter dem Gewicht seiner schmutzigen Sünden nicht zerbrechen? Wollen Sie Beweise? Ich habe Beweise, daß das, was ich über Nicolae sage, die Wahrheit ist. Nicolae, sieh her, ob du ertragen kannst, was ich dir zeige!“
Die Augen des verrückten Jungen hatten Stefan beobachtet, seit die drei Männer ihn losgelassen hatten. Groß und verstört blickten sie den Mann an, aber nun weiteten sie sich noch mehr, als Stefan unter seinen dicken Mantel griff und etwas herauszog.
Nicolaes gellender Schrei zerriß die Stille über dem Platz. Seine Hände flogen hoch und bedeckten die Augen, um sie gegen den Anblick von etwas Schrecklichem zu schützen.
Stefan hob triumphierend beide Hände in die Höhe.
„Seht ihr? Habt ihr das alle gesehen? Er kann den Anblick nicht ertragen - den Anblick des Kreuzes! Und es ist nicht irgendein Kreuz, sondern dasselbe Kreuz, das neben Merceas Leichnam auf dem Berg gefunden wurde!“
„Genug jetzt von diesem Unsinn!“ befahl der Polizist. „Ihr drei, ihr wolltet den Jungen ins Feuer werfen, bringt ihn nun nach Hause und behandelt ihn anständig. Ihr anderen solltet auch nach Hause gehen und über den Vorfall nachdenken. Ich hoffe, jeder einzelne von euch wird sich schämen. Vorwärts!“
Als die Menge sich zu verlaufen begann, nahm der Gendarm Thorkas Hand.
„Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gern in meinem Büro mit Ihnen reden“, sagte er.
Thorka nickte. „Ich bin in Begleitung zweier ausländischer Herren und einer Dame - ah, da ist sie!“ Er tat, als habe er Ktara gerade eben erst entdeckt. Sie hatte sich nicht von der Stelle bewegt, wo Sanchez sie zuerst gesehen hatte, aber ihre Augen hatten wieder die normale blaßgrüne Farbe.
Thorka fuhr fort: „Ich möchte gern die Frage unserer Übernachtung regeln. Wir haben in Piteschti Hotelzimmer bestellt, und meine Freunde haben verschiedene Gepäckstücke, die sie sicher unterbringen möchten. Aber wenn wir fertig sind, werden wir zu Ihnen kommen.“
„Gut. In der Zwischenzeit werde ich mich um Stefan kümmern, der anscheinend mit den anderen fortgegangen ist. Ich möchte ihn wegen des Kreuzes befragen. Bisher war mir nicht bekannt, daß ein solches Beweismittel existiert. Sie erlauben, daß ich Ihre Freunde begrüße?“
Die Limousine und der schwarze Lieferwagen hielten Seite an Seite. Als der Polizist zu den Wagen ging und Harmon vorgestellt wurde, sagte er zu Thorka: „Ich hoffe, daß diese Ereignisse Ihren Gästen nicht einen falschen Eindruck von unserem Dorf gegeben haben.“
„Machen Sie sich deswegen keine Sorgen“, erwiderte Harmon auf rumänisch.
„Er spricht unsere Sprache - bravo!“ sagte der Polizist. Als nun Ktara zu ihnen trat, gab er ihr die Hand und fragte Thorka: „Sie sagten, daß die Männer Ausländer seien. Ist die Dame auch nicht von hier?“
Thorka blickte zu Ktara dann zu Harmon. „Das“, sagte er seufzend, „ist eine ausgezeichnete Frage.“
„Bin ich von Schwachköpfen umgeben?“
Radu Conescu war nur mittelgroß, und die Tatsache, daß sein großer Kopf direkt auf den Schultern zu sitzen schien, gab ihm das Aussehen eines Buckligen und ließ ihn noch kleiner erscheinen. Sein Körper war massig und für einen Sechzigjährigen erstaunlich gewandt und muskulös. Sein breiter Mund, die etwas aufgestülpte Nase und die dunklen, leicht hervortretenden Augen hatten Radu Conescu während seiner Tätigkeit für den britischen Geheimdienst den Codenamen ‚Der Frosch‘ eingetragen. Man hätte schwerlich einen passenderen Spitznamen für ihn finden
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