Draculas Goldschatz - Gruselroman
barfuß war, als ob sie die Kälte nicht fühlte. Als ob Sommer wäre, und sie über eine Blumenwiese ginge.
Das unnatürliche Rot ihrer Lippen milderte kaum die unheimliche Todesaura, die sie zu umgeben schien. Selbst das Lächeln in ihrem Gesicht war leichenhaft starr, und die Augen, die ihn unverwandt ansahen, schienen kalt und leer zu sein. War es möglich, daß diese Frau, die sich als Blutsverwandte des früheren Schloßherrn bezeichnete, selbst ein Vampir war?
Mihail wich unwillkürlich vor der Frau zurück, als sie ihn anredete: „Du bist ziemlich früh dran, Mihail. Ich hoffe, du hast nicht lange warten müssen.“
Er atmete hörbar auf. „Dava?“ fragte er mit stockender Stimme. „Du bist es doch, nicht wahr?“
Sie lachte tief in ihrer Kehle, und streckte ihm die Hände entgegen. Er ergriff sie, aber es war, als ob er zwei Gegenstände aus massivem Eis ergriffe. „Dava - du mußt am Erfrieren sein!“
„Vielleicht“, sagte sie bedeutungsvoll, „möchtest du mich wärmen?“
„Ich - deshalb bin ich gekommen, um dir zu zeigen - wie sehr ich dich liebe, und...“
Ihre Augen blitzten. Das Lächeln war verschwunden. „Sei nicht albern! Ich brauche deinen Körper und seine Kraft. Das ist alles.“
„Aber ich dachte...“
„Natürlich dachtest du, aber nur was ich denke ist wichtig. Hast du eine Taschenlampe bei dir?“
Er wollte sich zurückziehen, von diesem Ort fortrennen, so schnell seine Beine ihn tragen konnten, nur - es ging nicht. Er war ein stolzer, selbstbewußter Bursche, aber er war im Dorf aufgewachsen und wurde unsicher, wenn er es mit Vertretern der Aristokratie oder höherer Gesellschaftsschichten zu tun hatte. Es war klar, daß sie befehlen und er gehorchen würde. Auch die Haltung der Frau machte deutlich, daß dies die Grundlage ihrer Beziehung sein würde. Für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel, das er sich ihr unterwerfen würde. Er zog die Taschenlampe aus der Jacke.
„Gut, Mihail, folge mir. Wir gehen hinunter in den Tunnel.“
Er schaltete die Lampe ein und folgte wie in Trance, als die Frau ihn zu der Stelle führte, wo der Preßluftbohrer an diesem Morgen den unterirdischen Gang angebohrt hatte. Das Loch war so erweitert worden, daß sich ein Mann seiner Größe hindurchzwängen konnte.
„Du gehst zuerst hinein, damit du mir helfen kannst“, sagte Dava. Es war ein Befehl, den er zu befolgen hatte. Er richtete den Lichtkegel der Taschenlampe in das Loch und sah den dicken Felsen, in den die Öffnung gebohrt worden war, und etwa drei Meter tiefer einen steinernen Boden, uneben und staubig. Der Bohrer hatte die Decke des unterirdischen Tunnels geöffnet. Mihail setzte sich vorsichtig an den Rand des Loches und ließ die Beine hinunterbaumeln. Dann ließ er sich auf beide Hände gestützt hinab, hing einen Moment und landete nach einem Meter auf dem Tunnelboden. Es war nicht völlig dunkel. Zu seiner Überraschung sah Mihail in der Ferne eine brennende Fackel in einem altertümlichen Halter. Der flackernde Feuerschein zuckte matt über die roh ausgehauenen Wände. Der Gang war eng und sehr niedrig, offenbar in einer Zeit angelegt, als die Durchschnittsgröße der Menschen um einiges geringer war als heute. Nur eine etwa zwanzig Meter lange Strecke rechts und links von ihm, wo der Stollen einer natürlichen Felsspalte folgte, war höher und etwas breiter. Mihail blickte unbehaglich umher; er merkte, daß er schwitzte.
Es war nicht nur die düstere Enge, die ihn beeinflußte, es war auch die abgestandene, muffig-trockene Luft, die nach Staub, Fäulnis und Zerfall roch.
„Hilf mir!“ kam der Befehl von oben.
Mihail wandte sich um und reckte die Arme, um die blaugefrorenen Beine der Frau zu fassen. Als er sie zum Boden herabsenkte, sah er mit Erstaunen, daß nur wenige Schritte entfernt eine hölzerne Leiter an der Wand lehnte. Eine Leiter, die so stand, daß man sie von der Öffnung aus erreichen konnte. Warum hatte sie die Leiter nicht gebraucht?
Die Frau schien die Frage von seinem Gesicht abzulesen. „Leitern sind gut, wenn man allein ist, Mihail, aber ich wollte deine Hände an meinem Körper fühlen. Ist das schlecht von mir?“
Ihr Ton klang verführerisch, doch der anmaßende Hochmut blieb gegenwärtig.
„Nein, es ist nicht falsch“, antwortete er, aber er dachte an andere mögliche Gründe, warum sie nichts. von der Leiter gesagt hatte. Vielleicht hatte sie sichergehen wollen, daß er zuerst einstieg. Möglicherweise hatte sie auch gehofft,
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