Draculas Goldschatz - Gruselroman
seiner Aufmerksamkeit vom Gold auf die Frau zu übertragen - aber er war dazu unfähig. Ihre Worte kamen durch, aber es kümmerte ihn nicht. Was bedeuteten bloße Worte, wenn all dieser Reichtum um ihn war? Warum mußte sie in einem Augenblick wie diesem reden? Und so zornig? Was konnte es hier geben, das jemanden zornig machen konnte?
„Du hast deine Chance gehabt, Tölpel! Sag mir, glaubst du an Vampire? Antworte!“
Er antwortete nicht.
„Sehr gut“, sagte sie mit erzwungener Ruhe. „Unten im Dorf wird gesagt, daß diejenigen, die in letzter Zeit auf diesem Berg ums Leben kamen, von Vampiren umgebracht wurden. Das ist nicht richtig, Mihail. Das ist ganz und gar nicht zutreffend. Weißt du, in Wirklichkeit gibt es keine Vampire und dergleichen. Nicht einmal der legendäre Graf Dracula war ein Vampir. Aber er war ein sehr reicher Mann. Der Mann, der sich Radu Conescu nennt, wußte das, obwohl er darauf besteht, die gleiche Legende zu fürchten, die du und deinesgleichen fürchtet. Hörst du mir eigentlich zu?“
Es war offensichtlich, daß er es nicht tat.
„Das wirst du bedauern, ich verspreche es dir! Du wirst genauso wie die anderen sterben. Nicht von Vampiren getötet, nein, keineswegs, sondern von etwas viel einfacherem und verständlicherem.“
Und nun zwinkerte Mihail mit den Augen. Irgendwo klang ein Geräusch auf, das seine Ohren zu durchbohren schien. Er zwinkerte wieder. Sein Kopf war klar. Es war die Frau. Die Finger ihrer rechten Hand lagen an ihrem Mund, und sie pfiff oder machte irgendein seltsames Geräusch.
„Ich bin Schauspielerin, Mihail, und ich hatte es immer schwer. Mein Vater war ein armer Mann, ein Hundeausbilder, aber er war sehr tüchtig in seinem Fach. Ich habe viel von ihm gelernt.“
Mihails Augen weiteten sich, als sein Blick von einem tiefen Knurren zum Eingang gelenkt wurde. Ein großer Wolf, ein seltener Albino mit stumpfweißem Fell, stand dort, die Lefzen zurückgezogen, die gefährlichen Zähne gebleckt.
„Dava!“ rief Mihail. „Was soll das heißen...“
„Was das heißen soll?“ höhnte Dava. „Das heißt, daß ich nichts tun werde. Wie schon in der Vergangenheit wird mein guter Freund auch jetzt tun, was getan werden muß. Kein Vampir, Mihail, sondern ein Wolf.“
Mihail kreischte, als die Pfoten des Wolfs den Boden verließen. Kämpfend, wild um sich schlagend und kreischend wand er sich im Gold. Er kreischte, bis die Wolfszähne seine Stimmbänder zerrissen, und dann starb er in dem unterirdischen Raum der goldenen Reichtümer.
Wie die Inschrift neben dem Siegel es ihm verheißen hatte.
10.
„Er mußte sowieso sterben, nicht wahr?“
Die beiden standen zwischen den Ruinenwänden des Schlosses. Die Frau trug jetzt einen dicken schwarzen Wollumhang, und ihr Gesicht zeigte ein verächtliches Lächeln. Der Mann war ebenfalls warm angezogen, aber sein Gesicht war bleich und von Wut verzerrt.
„Nicht jetzt, nein - er mußte nicht sterben. Lebendig wäre er mir von Nutzen gewesen.“
Dava lachte. „Aber er war nützlich, Onkel! Er trat die Tür ein. Er tat das, wovor du dich gefürchtet hast. Das muß man sich vorstellen! Du, mit all deiner Berechnung und Kaltblütigkeit, fürchtest dich im Augenblick des Triumphs, eine Tür zu öffnen.“
Radu Conescu starrte sie böse an. „Du hast selbst den Fluch gelesen.“
Dava lachte kurz und höhnisch auf. „Ja, ich habe den Fluch gelesen und ihn als das erkannt, was er war. Das Wissen eines reichen alten Mannes und Ausbeuters, daß er die Dorfbewohner im Griff hatte. Aber du! Du, der du behauptest, ein außergewöhnlich kluger und geschickter Mann zu sein - du nimmst die Worte ernst!“
„Sprich nicht so mit mir, Dava. Ich könnte dir deinen dürren Hals mit Daumen und Zeigefinger brechen. Wenn du mich weiter aufregst...“
Davas Nasenflügel blähten sich. „Und wenn du mich weiter aufregst, werden meine Freunde es fühlen und mir zu Hilfe kommen.“
Sie blickte neben sich, wo fünf abgerichtete Wölfe lagen, der weiße Mörder Mihails und vier von seinen grauen Brüdern.
Conescu lächelte. „Ich erkenne deine Talente an, Dava. Was meine Befürchtungen angeht, so möchte ich sie auf die Formel bringen, daß der weise Mann sich nicht freiwillig ins Unbekannte wagt. Die Tür wurde geöffnet, ohne daß es Folgen für dich hatte. Das ist, wie es sein sollte. Aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn der junge Mann noch leben würde.“ Dava wollte etwas sagen, aber Conescu winkte ab. „Ich stimme dir
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