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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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blind.
    Die äußere Welt sah Maratha nicht oder nur selten – aber sie besaß eine zweite, innere Welt. Sie war schöner, reichhaltiger und nicht den Grenzen von Zeit und Entfernungen unterworfen, besaß nichts von der Hinfälligkeit der wirklichen Welt.
    Und jetzt, als sie wieder auf ihr Lager sank – Balken, mit gespannten Ledergurten, über denen Felle und Filzdecken lagen –, wußte sie zweierlei:
    In der Nähe von Urgor, zwei Tagesreisen weit entfernt, war der schlafende Gott erwacht und hatte seine Gegner vertrieben.
    Und von irgendwoher nahte eine Gefahr.
     
    Am Abend des zweiten Tages nach der Flucht aus Urgor ritten Vanadi und Thuon mit leidlich trockenen Gewändern und auf ausgeruhten Pferden auf das Waldstück zu, das unweit eines kleinen Berges das Tal ausfüllte. Der Fluß war gestiegen und führte Hochwasser. Die Niederungen waren überflutet.
    »Hier gibt es wandernde Hirten – vielleicht können wir einen Hammel stehlen!« rief Vanadi. Ihre Mägen knurrten.
    »Oder Kleidung!« gab Thuon zurück. Sie hatten vor, weit nach Osten zu reiten. So weit, bis sie auf jemanden stießen, der sie brauchen konnte und sie in Sold nahm.
    Thuon musterte den Rand des Waldes. Der Sturm hatte einige Bäume geknickt. Dann verengten sich seine Augen.
    »Dort drüben! Das Essen ist sicher!« rief er, riß das Pferd herum und sprengte auf einen gestürzten Baum zu. Die Äste des Baumes hatten eine junge Gazelle eingeklemmt; das Tier zuckte schwach mit den Läufen.
    »Ausgezeichnet! Ich mache Feuer!« gab Vanadi laut zurück.
    Thuon sprang aus dem Sattel, zog seinen Dolch und bahnte sich den Weg durch Äste und Zweige. Der Regen hatte nachgelassen. Zweimal war die Sonne zwischen den tief dahintreibenden Wolken hervorgekommen und hatte die Landschaft mit loderndem Licht Übergossen.
    Thuon ergriff den Hals des Tieres, setzte den Dolch an und zog mit säbelnden Bewegungen einen tiefen Schnitt durch die Schlagader. Die Gazelle zuckte zusammen, schlug mit den Keulen und bespritzte den Mann mit Blut. Dann verendete sie. Thuon zog das Tier mühevoll zwischen den Zweigen hervor und trug es bis an den Waldrand. Er sah sich um und entdeckte einen großen Baum, unter dessen tiefhängenden Ästen es fast trocken war.
    »Hierher!« rief er laut.
    Vanadi sattelte die Pferde ab, nahm ihnen die Zügel aus den Mäulern und band die Vorderfüße zusammen, so daß sie nur kleine Schritte machen konnten. Er sammelte Holz, schichtete es auf und arbeitete mit Feuerstein und Schwamm. Bald darauf kauerte Thuon neben dem kleinen, heißen Feuer und weidete die Gazelle aus.
    »Dort drüben, hundert Doppelschritte, ist eine Quelle. Aber wir haben nichts, um Wasser zu holen!« sagte Vanadi.
    »Wir trinken später – zuerst der Bratspieß!«
    »Gut.«
    Thuon rammte zwei Astgabeln in den Boden, steckte das Wild auf einen geschälten Ast und setzte ihn auf die Gabeln. Dann schüttelte er sich und zerschnitt seinen Mantel. Er schnitt ihn dicht über den Knien ab und machte aus dem verschmutzten und zerschlissenen Stoff zwei Schutzhüllen über seine Waden.
    Dann starrte er seine Hände an. Sie waren voller Blut.
    »Wo ist die Quelle?«
    »Dort, hinter den drei kleinen Felsen. Du siehst einen schmalen Weg.«
    »Gut«, sagte Thuon. »Dreh du inzwischen den Spieß!«
    Er ging schnell und entschlossen auf die bezeichnete Felsengruppe zu. Überall blühte und sproß es aus der verdorrten Erde. Die Luft, die von den Bergen herkam, war frisch und roch gut. Zwei Handbreit über dem westlichen Horizont drang jetzt die Abendsonne zwischen den Wolken hervor. Lichtbalken schossen durch den Himmel, und vor dem Licht sah man die schrägen Streifen fallenden Regens. Langsam machte sich eine Schwüle breit, von Nebel und Dämpfen erfüllt.
    Thuon schrak hoch, als er das Plätschern hörte. Er blieb stehen und schaute genauer hin. Dann grinste er breit.
    Er sah die schlanke Frau mit langem gelbem Haar, die neben der Quelle kniete und sich das Gesicht und die Hände wusch.
    Sie war in Felle gekleidet wie ein Hirte. Neben ihr steckte ein langer weißer Stab im nassen Boden. Die Frau bewegte sich. Sie hatte einen jungen, schlanken Körper; zwischen den zottigen Fellen sah glatte weiße Haut hervor. Dann stand sie auf, setzte sich auf einen großen Stein und zog langsam einen ihrer Fellstiefel aus.
    Thuons Grinsen wurde breiter, dann huschte er zurück zum Lagerfeuer und sagte leise: »Komm mit! Sieh dir an, was wir für feine Gesellschaft haben. Eine schlanke

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