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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Drache erschienen und miteinander kämpften. Sie, die von den umherstreifenden Hirten verehrt wurde, weil sie deren Frauen in den schweren Stunden half, weil sie wußte, wie das Wetter wurde, weil sie manche Krankheiten heilen konnte, wünschte sich nichts sehnlicher, als Dragon auch mit ihren eigenen Augen sehen zu können.
    Er ist der Mann, von dem ich schon so lange träume! dachte sie.
    Ebenso leicht, wie sich das Aussehen ihres Körpers veränderte – je nach dem Grad ihrer Beschäftigung mit der inneren Welt sah man eine alte Frau, eine in den mittleren Jahren oder eine begehrenswerte junge Frau wie jene beiden Strolche –, so konnte sie auch ihre Gedanken wie Pfeile in die Weite der Landschaft schießen.
    Sie hatte miterlebt, wie die Entscheidung um Urgor herbeigeführt wurde. Sie erlebte mit, wie Dragon seine neue Welt unsicher betrat und mit einem untrüglichen Instinkt das Richtige getan hatte.
    Diese Erlebnisse hatten sie und auch Xando, der an ihren Gedanken teilhaben konnte, erschöpft.
    Sie seufzte, tastete sich in die Hütte und legte sich auf ihr Lager. Sie wußte, daß Dragon hier vorbeikommen würde. Dann konnte sie versuchen, auch ihn in ihren rätselhaften Bann zu ziehen. Er selbst nämlich war sich seiner Stärke noch nicht bewußt.
     
    Dreimal sieben Tage waren sie nun schon auf dieser Hochebene, auf dem Tafelland westlich des Erstrebenswerten Berges.
    Es war der Abend, an dem Noval versuchte, Amee zu erdolchen. Siebenmal sieben Tage würden sie hierbleiben. Es war die heilige Zeit. Alle sieben Jahre zog der Stamm der Unruhig Wandernden mit seiner gesamten Habe hierher. Sieben Tage lang feierte man ein gewaltiges Fest, die nächsten sieben Tage wurde gefastet, und in dieser Zeit wurden alle wichtigen Zeremonien und Feierlichkeiten durchgeführt.
    Zainu trat aus seinem Zelt und sah sich um. Die Hochfläche war übersät mit Zelten. Vor zwei Stunden hatte der Regen aufgehört, und jetzt schien die Landschaft in rasender Eile all das nachholen zu wollen, was sie in den vergangenen Dürremonden versäumen mußte.
    Vom benachbarten Zelt her näherte sich Ubali, der Leibwächter.
    »Zainu – ist alles ruhig?« fragte er wachsam.
    Der Leibwächter war eines der Mittel, durch die Zainu eine uneingeschränkte Herrschaft über rund zwölfmal hundert Menschen der Unruhig Wandernden Söhne Nuaks ausüben konnte. Ein riesiger Schwarzer mit ungeheuren Muskelpaketen, einem scharfen Gesicht, rollenden Augen und Fäusten, die wie Dreschflegel jeden trafen, der es wagte, unehrerbietig gegen seinen Herrn Zainu zu sein. Ubali kam aus Shibut. Vor drei Monden hatte ihn Zainu von einem wandernden Sklavenhändler gekauft.
    »Alles ist ruhig«, sagte Zainu selbstgefällig und strich über seinen Bauch. Er hob den Arm und machte eine umfassende Geste: »Das Lager ist ruhig. In drei Tagen erst fängt die nächste Periode des Festes an. Dann erst gibt es Unruhe. Aber wir werden sie schon dämpfen, nicht wahr, Ubali?«
    Der Schwarze verneigte sich. »Wie mein Herr befiehlt!« sagte er.
    Er blieb stehen, denn der Herr hatte ihn noch nicht weggeschickt. Auch Ubali ließ den Blick über die Hochebene gleiten, auf der, wie von einem zornig um sich schleudernden Gott verstreut, Felsbrocken aller Größen lagen. Zwischen den Felsen hatte sich überall dort, wo es eine Bodensenke gab oder ein Karstloch, Erdreich angesammelt – seit undenklich langer Zeit. Dort wuchsen Bäume, zum Teil sehr groß und mächtig. Und seit kurzer Zeit deckte ein dünner Flaum schnell wachsenden Grases die Ebene. Sie schimmerte im Licht des aufgehenden Mondes, der dann und wann durch die treibenden Regenwolken brach.
    »Der Mond treibt durch die Wolken wie ein Sichelmesser!« sagte Zainu.
    Er war ein Mann von großen, energischen Gebärden und einer lauten, fast schrillen Stimme. Wenn er einen Befehl gab, verstand man ihn bis in den letzten Winkel des Lagers. Fünfhundert Zelte glänzten im Mondlicht. Die Häute, aus denen sie zusammengenäht waren, schimmerten naß vom Regen.
    »Du sagst es. Wie eine Sichel!« bestätigte Ubali.
    Ein Hund streunte durch eine Gasse des ringförmig angelegten Lagers. In der Mitte war der riesige freie Platz unter den großen Bäumen. Hier loderten die Feuer, hier zischte das Fett von den geschlachteten Ochsen in den Flammen.
    »Wie eine Sichel, mit der wir unsere Söhne beschneiden!« sagte Zainu. »Oder eine Sichel, mit der wir das Gras für die Herden schneiden.«
    »Wie die rituelle Sichel!« wiederholte der

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