Dragon Dream (epub)
kauerte auf dem höchsten Ast, der ihr Gewicht aushielt. Es war nicht leicht gewesen, so schnell über ihn hinweg und aus seinem Blickfeld heraus zu kommen … das Biest war riesig. Sie sah finster auf den großen, silbernen Kopf dieses arroganten Idioten hinab.
Lästig? Ich bin lästig? Hatte er denn absolut keinen Schimmer, was für ein Mistkerl er war? Eindeutig nicht, sonst hätte er sie gehen lassen. Aber er war entschlossen, sie zu besitzen. Nein, nein, nein. Das würde nicht passieren. Sie hatte schon einige komische und dumme Dinge getan, aber einen Drachen zwischen ihre Beine zu lassen würde keines davon werden.
Konzentriert verlangsamte Talaith ihre Atmung und ihren Herzschlag. Drachen hatten ein erstaunliches Gehör, hatten ihre Ausbilder gesagt, also benutzte sie all ihre Fähigkeiten, um sicherzugehen, dass er sie nicht hörte. Sie verschmolz mit den Schatten der Äste und Blätter, damit seine Drachenaugen sie nicht erspähten.
Das Einzige, was sie nicht kontrollieren konnte, war seinen scharfen Sinn für …
Der Drache schnüffelte, dann sah er sie direkt an. »Da bist du ja, meine kleine Hexe.«
Verdammt.
Bevor sie auch nur daran denken konnte, wieder nach unten zu klettern, packte er den Baum mit seinen beiden Vordertatzen und schüttelte ihn. Schreiend fiel Talaith herab. Aber sein verfluchter Schwanz fing sie auf, kurz bevor sie auf dem Boden auftraf.
»Das war ja verblüffend, kleine Hexe. Sag mir, wo hast du gelernt, dich so schnell zu bewegen und dich so gut zu verstecken? In deinem kleinen Dorf, nachdem du am Morgen das Brot gebacken hast?«
Er lachte über seinen eigenen Witz und machte sich wieder auf den Weg in die Stadt, wobei sie immer noch in seinen Schwanz eingewickelt war.
»Ja, ich hatte recht, was dich angeht. Du bist faszinierend . Du und ich, wir werden so viel Spaß zusammen haben, meine kleine Hexe.«
Könnte ich ihn noch mehr hassen? Sie dachte einen Augenblick darüber nach. Nein, ich könnte ihn nicht noch mehr hassen als ich es schon tue.
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Die Gespräche in dem Pub, in den sie schließlich zum Essen gingen, waren, gelinde gesagt, interessant. Viel Gerede über wütende Götter und entsetzliche Stürme. Außerdem fürchteten sie das Herannahen des Schwarzen Mondes.
Natürlich war das nicht die korrekte Bezeichnung für den mächtigen Mond, aber sie hatte die Hoffnung aufgegeben, dass die Nordländer irgendetwas über andere Kulturen wussten. Abgesehen davon hatte sie im Moment größere Probleme.
Das Einzige, was sie gerade beschäftigte, war, von diesem irritierend entschlossenen Drachen fortzukommen. Er saß lässig zurückgelehnt in der Sitzecke, die sie glücklicherweise in einer ruhigen Nische gefunden hatten. Sie hatte befürchtet, vorn an einem der langen Tische auf einer Bank sitzen zu müssen. Aber auch so war der Drache kaum zu übersehen. Selbst mit der Kapuze seines schwarzen Umhangs, der seine silberne Haarmähne, das Kettenhemd und die Hose bedeckte – offenbar hatte einer in dem Unglücksgespann ungefähr seine Kleidergröße getragen –, zog er die Blicke auf sich, wo er ging und stand. Wie konnte es auch anders sein? Er überragte ja alle. Außerdem musste er sie praktisch hinter sich herschleppen, und sie beide zusammen stachen deutlich aus dem gemeinen Volk heraus.
Was sie nicht verstand, was sie nie verstehen würde, war, warum sie noch nicht geschrien hatte. Warum hatte sie nicht um Hilfe gerufen? Sie waren auf dem Weg zum Pub an einem Friedensrichter vorbeigegangen. Es war eine der wenigen Städte, die tatsächlich einen hatte, und obwohl er sie mit großem Interesse beobachtete, hatte sie nicht geschrien oder versucht, sich loszureißen. Sie hatte seinen Blick einfach erwidert.
Das Kinn in die Hand gestützt, starrte Talaith in ihr Bier. Sie wusste genau, warum sie nicht um Hilfe schrie. Er könnte verletzt werden. Sogar getötet. Das wollte sie nicht. So sehr sie ihn verachtete – oh, und das tat sie wirklich! –, wollte sie doch nicht Schuld an seinem Tod sein. Sie wollte nur, dass er sie gehen ließ. Aber wenn die ganze Stadt auf ihn losging, bevor er eine Chance hatte, sich zu verwandeln, oder wenn er sich verwandelte und die ganzen Stadtbewohner mit sich riss … nichts davon hätte sie sich verzeihen können.
Sie konnte beinahe ihre Mutter in ihr Ohr flüstern hören: »Talaith, Tochter des Haldane – du bist eine Närrin.«
Und der Drache fragte sich, warum sie nicht zu ihrer Mutter zurückkehrte, um sich trösten zu
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