Dragon Fever: Roman (Dragon-Reihe, Band 6) (German Edition)
abgeben? Beide wirkten überraschend kalt, aber neugierig. Wie Dschungelkatzen, die mit dem verwundeten Wild spielen, das sie neben einem Baum gefunden haben. Sie stupsen mit den Tatzen, beißen hinein. Sie testen, kosten und überlegen sich: Lohnt es sich, es noch mehr zu quälen? Oder ist es schon tot?
Doch dann kam seine jüngste Nichte Rhianwen. Sie wurde jetzt von allen Rhi genannt und war gerade sechzehn Winter alt. Sie war, kurz gesagt, schön. Umwerfend. Und er verstand, warum seine Brüder so einen Beschützerinstinkt entwickelt hatten. Nicht nur wegen ihrer Schönheit – Schönheit gab es überall. Es war dieses wundervolle, strahlende Lächeln, diese natürliche Unschuld und diese intensive Güte. Ihre Wärme. Während ihre Cousins Éibhear musterten wie einen sehr großen Käfer, den sie unter ihren Betten gefunden hatten, kam Rhi mit ausgebreiteten Armen und Tränen in den Augen auf ihn zu.
»Ich freue mich so, dich nach all den Jahren wiederzusehen, Onkel Éibhear.« Sie umarmte ihn fest, die Arme um seine Taille, den Kopf an seine Brust gelegt. »Wir haben dich sehr vermisst.« Sie schniefte und neigte den Kopf zurück, um zu ihm aufzuschauen. »Auch wenn das außer meiner Mutter und meinen Tanten keiner je zugeben wird.«
Er küsste sie auf die Stirn und erwiderte ihre Umarmung. »Keine Sorge. Das weiß ich schon.«
»Er wird uns trainieren«, erzählte Talan seiner Schwester.
»Gut. Etwas Neues lernen.«
»Später!«, tadelte Rhi. »Lasst ihn erst einmal ankommen, bevor ihr ihn mit euren dummen Bitten überfallt.«
»Also gut.«
»Von mir aus.«
Dann waren die Zwillinge fort – schnell und lautlos. Es war ein wenig mehr als beängstigend.
»Lass dich nicht von ihnen beunruhigen«, sagte Rhi, obwohl er kein Wort gesagt hatte. »Sie sind nicht annähernd so furchtbar, wie alle glauben … aber sie können einem auf die Nerven gehen.«
»Gut zu wissen.«
Sie trat zurück und nahm seine Hände. »Ich habe gehört, dass du ganz gern liest.«
»Nicht nur ganz gern.«
Rhi grinste. »Ich auch! Aber Zeichnen liebe ich auch. Ich wette, wir sind uns total ähnlich, du und ich!«
Äh … alles klar.
Dagmar atmete aus und strich die Vorderseite ihres schmucklosen Kleides glatt. Sie trug kein Kopftuch mehr über ihren langen Haaren wie damals, als sie hier angekommen war, obwohl es bei Nordlandfrauen Tradition war. Stattdessen trug sie ihre Haare in einem einfachen Zopf, der ihr bis tief über den Rücken reichte – Izzy war sich sicher, dass es Gwenvael Vergnügen bereitete, ihn jeden Abend zu lösen. Doch abgesehen davon sah sie nicht anders aus als die Nordländerin, die vor all den Jahren mit Gwenvael hier angekommen war. Sie trug immer noch ihre schlichten grauen Kleider, mit Fellstiefeln im Winter und Lederstiefeln im Sommer. Und ihre Augengläser. Ihr Götter, wer könnte diese Augengläser vergessen, von denen Gwenvael sprach, als wären sie lebende menschliche Wesen? Wie immer balancierten sie spröde auf ihrer Nasenspitze, während dahinter funkelnde graue Augen Izzy beobachteten. Kalkulierten. Dagmar kalkulierte immer.
»Ich bin … besorgt.«
»Wegen Lord Pombrays Sohn?«
»Oh, ihr Götter, nein.« Sie verdrehte die Augen. »Dieser Junge und deine Schwester sind die geringsten meiner Sorgen.«
Izzy hockte sich auf den Boden und zog Socken und Stiefel an. »Dann sind es also die Zwillinge.«
»Es geht um Talwyn. Sie ist in letzter Zeit … sehr vertraut mit den Kyvich. Vor allem mit Kommandantin Ásta.«
Izzy zuckte die Achseln, zog ihre Stiefel hoch und überlegte, ob sie sich ein neues Paar besorgen sollte, jetzt, wo sie eine Weile zu Hause war.
»Na ja, sie ist jung. Und Ásta ist eine attraktive Frau.« Sie stand auf und stampfte mit den Füßen, um die Stiefel in die perfekte Position zu bringen. »Ich bin mir sicher, es gibt keinen Grund zur Sorge. Manche Frauen fühlen sich einfach mit anderen Frauen wohler. Das heißt nicht, dass sie nicht mit einem Mann Nachwuchs bekommen kann, wenn sie alt genug ist, und dann können sie und die andere Frau das Kind zusammen …«
»Nein, nein.« Dagmar schaute Izzy an. »Das meinte ich nicht, Iseabail.«
»Oh.« Izzy zuckte die Achseln. »Was ist dann deine Sorge? Sie waren ihre Beschützerinnen. Natürlich ist Talwyn ihnen nahe, genau wie ich meinen Beschützern nahe war.« Als Dagmar sie nur anstarrte, sagte Izzy: »Du glaubst, sie wollen mehr?«
»Sie ist ein mächtiges Mädchen. Sie kann kämpfen … und man hat mir gesagt,
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