Dragon Fire
er stehen und dachte darüber nach,
was sie ihm da nur Augenblicke zuvor erzählt hatte. Er musste um eine
Klarstellung bitten. »Du hast deiner Cousine ein Auge ausgekratzt?«
»Ich habe es ihr nicht
aus gekratzt .« Sie leckte den Saft des
Truthahnschenkels von den Fingern ihrer freien Hand. »Ich habe es ihr mit
meiner Schwanzspitze ausgerissen.«
Als sein Mund offen
stehen blieb, erklärte sie eilig: »Es war Notwehr!«
»Ist das nicht
dieselbe Ausrede, die du bei dem Wachhund benutzt hast, den du gefressen hast?«
»Vielleicht. Aber bei
Elestren war es wirklich Notwehr. Sie hat mich mit einem Kriegshammer
geschlagen. Auf den Kopf und auf den Arm. Und ich kann dir sagen, sie hat
ziemliche Kraft hineingelegt.«
»Warum? Was hattest du
ihr getan?«
Jetzt blieb ihr Mund
offen stehen. » Ich hatte gar nichts getan.«
»Keita …«
»Hatte ich nicht! Es
sei denn, sie war immer noch sauer, weil ich sie einmal Fettarsch genannt
hatte. Aber das war schon Jahre her.«
Sie gingen weiter.
»Jedenfalls kam sie mit diesem verfluchten Hammer auf mich zu, nachdem sie mir
schon fast den Unterarm gebrochen und den Schädel eingeschlagen hatte, und ich
bekam Panik und benutzte meinen Schwanz … was man anscheinend beim Training
nicht tun soll.«
»Training wofür?«
»Für den Kampf. Also,
wenn du oder dein Vater und euresgleichen das nächste Mal versucht, mich zu
entführen …«
Ragnar blieb wieder
stehen, die Hände zu Fäusten geballt. »Steck mich nie wieder in dieselbe
Schublade wie meinen Vater«, sagte er.
Mit großen Augen
erwiderte sie: »Ich wollte nicht …«
»Und ich habe dich
gerettet. Und als du in deinem Gebiet in Sicherheit warst, habe ich dich gehen
lassen. Mit beiden Flügeln. Ich kann dir versichern, dass Olgeir der
Verschwender nichts dergleichen getan hätte.«
»Na gut.«
Ragnar wusste, dass er
sie angeschnauzt hatte, aber er konnte nicht anders. Dennoch fühlte er sich wie
ein richtiger Mistkerl, als sie im Gegenzug nur hochhielt, was von dem
Truthahnschenkel übrig war, und fragte: »Willst du den Rest?«
Er hätte sich
entschuldigen sollen, aber er würde es nicht tun. Nicht, wenn sie es wagte, ihn
mit seinem Vater zu vergleichen. »Na gut … wenn ich ihn schon bezahlt habe.« Er
nahm ihr den Schenkel aus der Hand und riss das restliche Fleisch davon ab,
bevor er das Mark aussaugte. Als er fertig war, reichte er ihr die Überreste –
ein Stück hohlen Knochen.
Sie hielt ihn hoch, und
ihr Blick wanderte von ihm zu dem Knochen und wieder zurück. Mehrere Male.
Als sie nichts sagte,
tat er es. »Lass uns zurückgehen. Wir haben noch viele Meilen vor uns, bevor
wir das Nachtlager aufschlagen können.«
Sie setzten sich
wieder in Bewegung, und nachdem Keita das Stück Knochen weggeschleudert hatte,
fragte sie: »Sag mir, Lord Ragnar – begehrst du mich?«
»Wie die Luft zum
Atmen.«
Sie blieben beide
wieder abrupt stehen und die Augen der Prinzessin waren weit aufgerissen, als
sie zu ihm aufsah.
»Aber deshalb muss ich
mich von dir fernhalten, nicht wahr?«, fragte er.
Ihr bestürzter Blick
schwand, und dieses Lächeln – das, von dem er sicher war, dass es niemand außer
ihm je zu Gesicht bekam – trat an seine Stelle. »Nur wenn du einer von der
anhänglichen Sorte bist«, gab sie zu. »Anhänglich finde ich schrecklich.«
Sie knabberte auf
ihrer Unterlippe und ihr Blick wanderte an ihm auf und ab. Dann kicherte sie.
»Und Götter, ich hoffe wirklich, dass du keiner von der anhänglichen Sorte
bist!«
Mit einem breiten
Lächeln machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrer Reisegesellschaft. »Na
komm, Warlord, wir haben noch viele Meilen vor uns, bevor wir das Nachtlager
aufschlagen können.«
Und zum ersten Mal in
fast einem Jahrhundert fühlte sich Ragnar vollkommen überfordert.
9 Trotz ihres kurzen
Ausflugs auf den Jahrmarkt kamen sie gut voran, erreichten die Stelle, wo sie
die Nacht verbringen wollten, und waren am nächsten Tag noch vor Sonnenaufgang
wieder unterwegs. Gegen Nachmittag landeten sie schließlich auf die Bitte des
Ostland-Drachen hin eine Wegstunde außerhalb der südländischen Grenzstadt
Fenella. Es sollte eine kurze Pause werden, eine für Essen und Wasser, aber
dann marschierte Ihre Majestät mit ihrem Ostland-Gefährten davon – in
Menschengestalt. Schon wieder in einem neuen Kleid. Wo nimmt sie bloß die ganzen
Kleider her?
»Wo geht deine
Schwester hin?«, fragte Ragnar den Blauen.
»Ich weiß nicht.«
»Hast du mal daran
gedacht zu
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