Dragon Sin: Roman (German Edition)
Kapuze seines Umhangs weit nach vorn geschoben und verbarg so sein purpurfarbenes Haar. Aber seine Größe konnte er nicht verbergen. Die Männer fielen sofort in ein unbehagliches Schweigen, und die Frauen, nun ja … Rhona erkannte Lust bei jeder Spezies auf viele Meilen.
Er setzte sich auf die Holzbank ihr gegenüber und winkte eine Magd heran. »Bier und Eintopf. Und etwas Brot.«
Die Frau lächelte ihn verführerisch an, bevor sie sich an Rhona wandte: »Darf es für dich noch mehr sein?«
Rhona machte zur Warnung ein schnalzendes Geräusch, und die Magd ging davon.
»Hast du alles bekommen, was wir brauchen?«, fragte Vigholf. Sie war erleichtert, dass er endlich wieder mit ihr redete.
»Für mich allein würde es zwei Wochen reichen. Aber da du dabei bist, werden wir vermutlich in ein, zwei Tagen neue Vorräte brauchen.«
Er zuckte die Achseln und machte sich über das Brot her, das sie übrig gelassen hatte.
»Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?«
»Das erzähle ich dir später«, murmelte er und lehnte sich zurück, als das Essen vor ihn gestellt wurde.
»In Ordnung, aber ich dachte, wir könnten …« Auch Rhona bekam eine neue, randvolle Schüssel mit Eintopf.
»Ich hatte den Eindruck, dass du sehr hungrig bist«, sagte die Magd zur Erklärung.
Rhona sah das kleine Miststück von einer Bedienung mit zusammengekniffenen Augen an, aber Vigholf brachte sie zum Lachen, als er mit vollem Mund sagte: »Ich mag Frauen mit einem herzhaften Appetit.«
Als die Magd gegangen war, fragte Rhona: »Wollen wir uns hier zwei Zimmer für die Nacht nehmen? Oben ist noch Platz.«
»Nein«, erwiderte er, weiterhin völlig vertieft in sein Essen.
»Nein?«
»Nein.«
»Du willst eine weitere Nacht im Freien verbringen, obwohl das hier eine völlig annehmbare Taverne ist? Warum?«
»Weil ich lieber unter den Sternen schlafe.«
»Wie bitte?«
»Du liegst doch ebenfalls gern auf dem Erdboden und schaust hoch in den Himmel, oder?«
Rhona brauchte einen Augenblick, bis sie verstand, wovon er redete, dann lachte sie. »Jetzt schmierst du mir das aufs Butterbrot, was ich gesagt habe, als ich betrunken war.«
»Nur weil du mir aus dem Herzen gesprochen hast. Du hast doch nichts dagegen, oder?«
»Keineswegs.« Rhona hatte noch nie gern in Tavernen und Herbergen übernachtet. Zwischen Wänden fühlte sie sich immer eingesperrt, auch wenn ihre Sippe das vollkommen anders sah.
Rhona schaute dem Drachen beim Essen zu. Allerdings glich es mehr einem Inhalieren als gewöhnlichem Kauen und Schlucken. Für ihn aber schien das ganz normal. Da Rhona wusste, dass eine Portion nie für ihn reichte, schob sie ihm ihren Eintopf hinüber, damit er diesen ebenfalls verschlingen konnte.
Als Vigholf mit dem Essen fertig war, gingen sie zurück zu der Stelle, wo sie die Pferde freigelassen hatten. Es war eine gute Idee gewesen, sich eine Weile von Rhona zu trennen. Es hatte ihm die Möglichkeit verschafft, wieder zur Vernunft zu kommen. Zwar bedauerte er es nicht, Rhona geküsst zu haben, aber nun erkannte er, dass er die Sache mit größter Geschicklichkeit angehen musste. Irgendwie wusste er, dass er das schaffen konnte – auch wenn es ihm schwerfiel. Er würde es hinkriegen.
»Was hast du in der Stadt gemacht?«, fragte Rhona, sobald sie sich wieder auf der Straße befanden.
»Informationen eingeholt«, antwortete er, als es ihm endlich möglich war, die Kapuze zurückzuschieben. Sie war ihm allmählich unangenehm geworden.
»Informationen? Ich dachte, du bist noch nie hier gewesen.«
»Das stimmt, aber man kann trotzdem Informationen einholen. Man muss nur die richtigen Orte kennen und die richtigen Leute fragen.«
»Ich bin beeindruckt. Ich bin immer die Letzte, die losgeschickt wird, um Informationen einzuholen.«
»Das liegt daran, dass du so durch und durch Soldatin bist, es stets wie ein Verhör wirkt, wenn du jemanden etwas fragst.«
Sie lachte. »Vielen Dank auch!«
Er stieß sie mit dem Ellbogen an. »Das habe ich nicht böse gemeint.«
»Ach, du hast also nicht gemeint, dass ich eine garstige Soldatin bin, die die armen Dorfbewohner mit ihrem einschüchternden Verhalten verschreckt?«
»Nun ja … als garstig würde ich dich nicht bezeichnen.«
»Was hast du denn herausgefunden?«, fragte sie und war überrascht, dass dies nicht die erste Frage gewesen war, die ihr auf der Zunge gelegen hatte. Gute Götter, wer hätte geahnt, dass der Nordländer sie so durcheinanderbringen konnte? Eigentlich wollte
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