Dragon Sin: Roman (German Edition)
fragte Annwyl nun, ohne jemand im Raum anzusehen. Sie bückte sich und holte eine Papierrolle aus ihrem Gepäck. Als sie diese entrollte, sah Vigholf, dass es sich um eine Landkarte handelte. »Ja, das sehe ich. Aber bist du sicher? Woher bei allen Höllen soll sie das wissen? Sie ist doch nur ein … ja, gut! Und mach das nie wieder!«
Annwyl rollte die Karte wieder zusammen und stand auf. »Wir gehen.«
»Gehen?«, fragte Vigholf sie. »Wohin?«
»Ich habe keine Zeit, ganze Litaneien von Fragen zu beantworten. Wir brechen sofort auf.«
Izzy und Branwen sprangen auf, packten ihre Sachen und machten sich auf den Weg. Widerstrebend folgten Vigholf und Rhona ihnen. Da ergriff Annwyl Rhona am Arm und hielt sie einen Augenblick lang zurück, während die beiden jüngeren Frauen weitermarschierten. Vigholf wollte Rhona nicht mit einer Frau allein lassen, von der er sicher war, dass sie vollkommen durchgedreht war, und so blieb er ebenfalls stehen. Nur die Götter konnten wissen, was die Verrückte Königin ihr sagen würde.
Aber sie schien einen recht klaren Blick zu haben und bei klarem Verstand zu sein, als sie zu Rhona sagte: »Wenn du meine Nichte noch einmal eine Hure nennst, Cadwaladr, dann schlitze ich dir die Kehle auf.«
Mit diesen Worten ging die Königin davon.
Vateria kehrte aus dem Kerker zurück, und ihre Diener begannen eifrig damit, ihr das Blut von Händen, Hals und Gesicht abzuwaschen.
»Was ist los?«, fragte sie ihren Magier.
»Sie sind tot.«
»Wer?«
»Der Trupp, von dem ich dir in der letzten Nacht erzählt habe, der Annwyl die Blutrünstige hierherbringen sollte.«
»Woher weißt du das?«
Ihr Magier lächelte. Sie machte eine nachlässige Handbewegung und schlug dabei einem der Diener ins Gesicht. »Vergiss die Frage.« Sie sah den mächtigen Drachenmagier an. »Kannst du sie nicht einfach … holen?«
»Sie ist vor Magie geschützt.«
»Durch diese Schlampe von Drachenkönigin?«
»Nein. Durch die anderen Götter.«
»Oh. Ich verstehe.«
»Wenn wir sie tot sehen wollen, fürchte ich, dass wir sie aus nächster Nähe erledigen müssen.«
»Und wie sollen wir das schaffen, wenn sie schon einen ganzen Trupp von Laudaricus’ Männern getötet hat?«
Junius lächelte. »Wir warten, bis sie zu uns kommt.«
»Einen Augenblick.« Vateria schüttelte den Kopf. »Willst du damit sagen, dass diese verrückte Kuh hierher kommt? In meinen Palast?«
»Ich glaube schon.«
Sie klatschte in die Hände und jubelte: »Mein Spielzeug kommt zu mir!« Darüber musste Junius lachen.
Sie folgten Annwyl und kletterten den Berg hinauf. Rhona wusste noch immer nicht warum. Eigentlich war sie der Meinung, sie sollten Annwyl wie ein krankes Tier von ihrem Elend erlösen. Doch andererseits hatte Rhona nichts dagegen, wenn ihr Kopf fest auf ihren Schultern blieb.
Plötzlich ließ sich Iseabail zu Boden fallen und bedeutete den anderen, ebenfalls Deckung zu suchen. Kurz darauf sah Rhona sie. Es waren Wächter aus den Hoheitsgebieten in Marschformation. Zuerst glaubte Rhona, sie wären auf der Suche nach ihnen, doch bald begriff sie, dass die Soldaten nur eine in der Nähe gelegene Festung bewachten. Vigholf deutete auf die Verteidigungsanlagen, die in der Ferne sichtbar waren.
Eigentlich erwartete Rhona, dass Annwyl alle Soldaten umbringen würde. Das schien ihre Reaktion auf alles zu sein. Aber sie regte sich nicht und gab auch keine Befehle. Sie wartete einfach nur ab. Rhona hätte nie geglaubt, dass die Königin in der Lage war abzuwarten.
Als die Wächter vorbeigezogen waren und sie den Eindruck hatten, weitergehen zu können, ohne gesehen zu werden, erhoben sie sich und kletterten weiter den Berg hinauf. Wohin Annwyl wollte, wussten sie jedoch noch immer nicht. Sie ging einfach weiter, bis sie plötzlich stehen blieb und den Blick auf den Boden richtete.
»Oh, Mi…«, konnte sie noch sagen, und dann tat sich der Boden unter ihren Füßen auf und verschluckte Annwyl.
25 Izzy gelang es gerade noch, den Arm der Königin zu packen. Sie lag auf dem Bauch und hielt Annwyl mit aller Kraft fest. Leider spürte sie, wie der Boden auch unter ihr allmählich nachgab.
»Mist«, zischte sie unterdrückt. Sie wollte keine Soldaten alarmieren, die sich vielleicht in der Nähe befanden, doch das hier konnte kein gutes Ende nehmen. Vor allem nicht, da sie unter Annwyl nichts als Schwärze sah. Eine abgrundtiefe Schwärze. »Mist.«
»Keine Panik«, befahl Annwyl kaltblütig von unten.
»Ich hab dich«,
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