Dragon Sin: Roman (German Edition)
treiben, Rebellenkönig?«
Nun trat der Rebellenkönig aus der dunklen Höhle. Er war jünger, als Vigholf es erwartet hatte. Viel jünger. Er zählte kaum zweihundert Winter, schätzte Vigholf. Seine Schuppen hatten die Farbe von Stahl, er war so groß wie ein Nordländer-Drache, und seine weißen Hörner bogen sich so sehr, dass die Spitzen beinahe seinen Mund berührten. Sein langes stahlfarbenes Haar reichte bis fast auf den Boden; er trug es anders als die übrigen Eisendrachen, und eine Augenklappe verdeckte das Loch, in dem sich einmal das rechte Auge befunden hatte. Eine Narbe, die sich von der Stirn bis zum Mund erstreckte, zeugte von diesem Verlust. Der König war nicht allein. Ein Bataillon aus schwer bewaffneten Menschen und Drachen stand hinter ihm und war bereit, ihn bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.
»Die Verrückte Königin der Insel Garbhán«, knurrte der Rebellenkönig. »Bist du zum Sterben hergekommen?«
»Nein. Aber du wärst nicht der Erste, der versucht, mir das Leben zu nehmen. Nicht einmal der Erste, dem es gelingt.« Sie grinste, und im schwachen Schein der Fackel, die Izzy in der Hand hielt, während sie an Annwyls Seite zurückkehrte, war deutlich das verrückte Grinsen der Königin zu erkennen. »Aber ich komme immer wieder zurück …«
Rhona warf sich hinter Annwyl und Vigholf hinter Branwen und Iseabail auf den Boden. Der Rebellenkönig betrachtete die kleine Gruppe. »Drei Drachen und ein Menschenmädchen? Ist das alles, was du zum Kampf gegen mich mitbringst?«
»Ich bin nicht hier, um gegen dich zu kämpfen. Ich bin hergekommen, weil ich mich deines Beistandes versichern will.«
»Ich weiß von eurem Krieg, Südländerin. Ich weiß, dass dein Gefährte in Euphrasia gegen Thracius kämpft und du in den Westlichen Bergen gegen Laudaricus ins Feld ziehst.«
»Du weißt es, aber du tust nichts, um uns zu helfen. Um den Krieg zu beenden und Thracius zu stürzen. Aber wenn du mir hilfst, könntest du sogar der Kaiser der Provinzen werden. Oder der König. Oder wie immer du dich dann nennen willst.«
»Das klingt schön, nicht wahr? Aber leider ist mir das im Augenblick nicht möglich. Doch weil ich gerade gütig bin, erlaube ich dir und deinen Freunden, lebend von hier zu verschwinden. Geht jetzt.«
Rhona verspürte einen kurzen Augenblick der Erleichterung, aber er verging gleich wieder, als Annwyl ihre Schwerter in die Scheiden steckte und dem Rebellenkönig in die dunkle Höhle folgte, aus der er vorhin gekommen war. Sie drückte sich an seinen Menschensoldaten und Drachenkriegern vorbei, ohne sie weiter zu beachten.
»Mist«, murmelte Vigholf, als er sah, wie Iseabail und Brannie ihrer Königin folgten.
Natürlich, er und Rhona könnten sich nun einfach auf den Rückweg machen. Aber das würden sie niemals tun. Es lag nicht in ihrer Natur. In ihrer dummen, dummen Natur. Also folgten auch sie der wahnsinnigen Königin und dem bösen König.
»Du kannst nicht einfach davongehen«, rief Annwyl hinter dem König her.
»Das kann ich wohl, Menschenfrau, und das tue ich auch.«
»Warum? Hast du Angst vor Thracius? Ist es das? Bist du schwach?«
König Gaius’ Schwanz peitschte auf die Stelle, an der Annwyl stand. Zum Glück war sie so wendig, dass sie zur Seite springen konnte, bevor er sie erwischte.
»Ich finde dich ärgerlich, Menschenfrau. Und du willst mich doch nicht verärgern, oder?«
»Warum nicht? Was willst du denn gegen mich unternehmen? Du kämpfst doch nicht einmal gegen deinen Onkel. Weil du schwach bist.«
»Du packst Izzy und Branwen«, flüsterte Vigholf. »Und ich schnappe mir die Verrückte.«
Der Rebellenkönig wirbelte herum, und Iseabail und Brannie duckten sich unter seinem langen, stacheligen Schwanz hinweg.
»Glaubst du wirklich, du kannst mit mir spielen, Königin?«
»Ich habe nichts mehr zu verlieren.«
»Ach nein?«
Nun wurde Iseabail von menschlichen Soldaten gepackt; ein Drache in Menschengestalt hielt Brannie fest, und Rhona und Vigholf wurden von bis an die Zähne bewaffneten Drachen und Menschen umzingelt.
»Wenn du glaubst, dass ich sie nicht umbringen werde, Menschenfrau, dann befindest du dich in einem traurigen …«
»Du solltest wissen, dass sie ihr wehtut«, sagte die Königin.
Verwirrt sah Vigholf Rhona an, doch sie konnte nur die Achseln zucken.
»Jeden Tag«, fuhr die Königin fort. »Jeden Tag fügt sie ihr immer größere Schmerzen zu. Und bald wird sie so zerschunden sein, dass es egal ist, ob sie frei
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