Drahtzieher - Knobels siebter Fall
dazu gebracht hätten, mit ihm solidarisch zu sein. Er hatte etwas Schräges, Listiges und auch Unaufrichtiges an sich, das zur Vorsicht mahnte. Marie verstand, dass ein Mensch wie Gisbert Wanninger letztlich allein bleiben musste, weil er alle Bindungen, die Menschen untereinander zu entwickeln vermochten, bereitwillig opferte, wenn dies der Präsentation einer Geschichte diente, deren Vermarktung ihm lukrativ erschien. Dennoch tat er Marie leid, mehr noch und in anderer Weise als in dem Moment, als sie dieses Bedauern im Zusammenhang mit ihrer Feststellung äußerte, dass es bei ihm nicht mehr so laufe. Intuitiv merkte sie, dass sich Wanninger nach einer Beständigkeit, Aufrichtigkeit und Herzlichkeit in einer Beziehung zu einem anderen Menschen sehnte und deshalb nach Werten strebte, die er bei seiner gnadenlosen Berichterstattung ignorierte. Wenn es die Geschichte hergab, war egal, was er mit deren wortgewaltiger Veröffentlichung zerstörte. Er galt als zynisch, beantwortete Fragen nach diesen Folgen seiner journalistischen Tätigkeit als Kollateralschäden, wobei er feixend grinste und ungerührt darauf verwies, dass er sich eines Begriffes bediene, der in den Nachrichten dieser Welt über kriegerische Auseinandersetzungen seinen festen Platz erobert hatte. Seine Opfer blieben immerhin am Leben, hatte er in einem Jahre zurückliegenden Interview gesagt, als ihn ein Kollege auf dem Höhepunkt seines Schaffens über seine teils als anstößig empfundenen Arbeitspraktiken befragte.
Als sie die Auffahrt vor der Villa Wolff hinauffuhren, waren Anne und Hermann van Eyck bereits eingetroffen. Sie befanden sich schon im Haus und hatten sich mit Sascha Sadowski bekannt gemacht, mit dem sie sich unterhielten, als Marie, Stephan und Gisbert Wanninger hinzustießen. Stephan wollte gerade ansetzen, Sascha gerafft zu erklären, was man bis jetzt herausgefunden hatte, als das Telefon der Villa klingelte. Sascha Sadowski nahm das Gespräch an der Nebenstelle im Flur der Villa entgegen und winkte, kaum dass er den Namen des Anrufers verstanden hatte, Stephan herbei. Als sich Stephan mit Namen gemeldet hatte, erfolgte die klare Anweisung des Anrufers, der sich knapp mit Drauschner meldete. Er erklärte, dass er ausschließlich mit Anne van Eyck sprechen wolle und bereit sei, sich mit ihr an einer Waldlichtung zu treffen, die zwischen Bomlitz und Walsrode an der von Uetzingen ausgehenden Landstraße gelegen und wegen des direkt an der Straße gelegenen quadratischen Fischteiches nicht zu verfehlen sei. Er werde nicht in die Villa kommen. Drauschner hängte ein, bevor Stephan etwas erwidern konnte.
Als Stephan den anderen über den Anruf berichtet hatte, sah Hermann van Eyck Gisbert Wanninger stechend ins Gesicht, während Sascha Sadowski die spürbare Spannung aufzufangen versuchte und scherzte, dass es ihm wohl nicht gelinge, Drauschner dazu zu bringen, seine Gäste in der Villa zusammenzuführen. Dann ging er mit unsicherem, charmantem Lächeln in die Küche, um den Kaffee aufzubrühen.
Stephan nahm Hermann van Eyck zur Seite.
»Wer auch immer hier angerufen hat: Es war mit Sicherheit nicht Gisbert Wanninger«, flüsterte er.
»Wundert es Sie nicht, dass der Anruf just in diesem Moment kommt?«, fragte Hermann van Eyck kühl.
»Gibt es etwas, das ich wissen müsste?«, tönte Wanninger spitz.
»Nein«, antwortete Stephan gelassen.
Er ging mit Anne und Hermann van Eyck, Marie und Gisbert Wanninger in die Küche. Sascha Sadowski servierte galant Kaffee, wie er es im Wohn- und Kaminzimmer der Villa tun würde.
»Wie kann dieser Drauschner überhaupt wissen, dass Anne van Eyck hier ist?«, fragte Marie.
»Wissen Sie eine Antwort?«, gab Hermann van Eyck die Frage an Wanninger weiter.
Der Journalist schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich kann es nur vermuten. Er wird Sie und Ihre Frau beobachtet haben. Wahrscheinlich hat er die Villa im Visier gehabt, als Sie hier ankamen. Alles andere macht keinen Sinn. Nur so kann er es ja auch zu diesem Teich schaffen. – Aber er muss auch Anne van Eyck kennen«, setzte Wanninger hinzu. »Er muss sie ja erkannt haben, als sie vorhin in die Villa ging.«
»Vielleicht lösen Sie das Rätsel, woher der vermeintliche Friedemann Drauschner Anne kennt, Herr Wanninger«, brummte Hermann van Eyck gereizt.
»Wissen Sie, welchen Teich er meint?«, wandte sich Stephan an Sascha Sadowski.
»Es gibt nur eine Stelle, auf die die Beschreibung zutrifft«, antwortete
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