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Dramatische Werke

Dramatische Werke

Titel: Dramatische Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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besiegt, all meine Zweifel schwinden;
    Marina.
Noch eine Bitte, lieber süßer Vater,
Gewähre mir!
    Mnischek.
Was wünschest du, mein Kind?
    Marina.
Soll ich zu Sambor eingeschlossen bleiben
Mit der unbändgen Sehnsucht in der Brust?
Jenseits des Dniepers wird mein Los geworfen –
Endlose Räume trennen mich davon –
Kann ich das tragen? O der ungeduldge Geist
Wird auf der Folter der Erwartung liegen
Und dieses Raumes ungeheure Länge
Mit Angst ausmessen und mit Herzensschlägen.
    Mnischek.
Was willst du? Was verlangst du?
    Marina.
Laß mich in Kiew des Erfolges harren,
Dort schöpf ich jedes Neue an der Quelle.
Dort an der Grenzmark beider Reiche
Dringt jedes neugebor- – – –
Schnell bis zu mir, dort kann ich seine Post
Dem Wind ablauschen – dort kann ich die Wellen
Des Dniepers sehn, die aus Smolensko fließen,
Dort- – – – – – – – –
    Mnischek.
Dein Geist strebt furchtbar. Mäßge dich, mein Kind.
    Marina.
Ja du vergönnst mirs, ja du führst mich hin.
    Mnischek.
Du führst mich hin! Muß ich nicht, was du willst!
    Marina.
Herzvater, wenn ich Zarin bin zu Moskau,
Sieh, dann muß Kiew unsre Grenze sein.
Kiew muß mein sein, und du sollsts regieren.
Laß mich nur erst in Moskau Zarin sein,
Und große Anschläge sollen reifen.
    Mnischek.
Mädchen, du träumst! Schon ist das große Moskau
Zu eng für deinen Geist, du willst schon Land
Auf Kosten deines Vaterlands – –
Abreißen.
    Marina.
- Kiew – – – –
Dort herrschten der Waräger alte Fürsten.
– Ich hab die alten Chroniken wohl inn –
Vom Reich der Russen ist es abgerissen,
Zur alten Krone bring ich es zurück!
    Mnischek.
Still, still. Das darf der Woiwoda nicht hören.
(Man hört Trompeten) Sie brechen auf.
    Zweiter Aufzug
Erste Szene
    Ansicht eines griechischen Klosters in einer öden Wintergegend am See Belosero.
    Ein Zug von Nonnen in schwarzen Kleidern und Schleiern geht hinten über die Bühne; Marfa in einem weißen Schleier steht von den übrigen abgesondert an einen Grabstein gelehnt. Olga tritt aus dem Zuge heraus, bleibt einen Augenblick stehen, sie zu betrachten, und tritt alsdann näher
    Olga.
Treibt dich das Herz nicht auch heraus mit
Ins Freie der erwachenden Natur?
Die Sonne kommt, es weicht die lange Nacht,
Das Eis der Ströme bricht, der Schlitten wird
Zum Nachen, und die Wandervögel ziehn.
Geöffnet ist die Welt, uns alle lockt
Die neue Lust aus enger Klosters Zelle
Ins offne Heitre der verjüngten Flur.
Nur du willst, ewig deinem Gram zum Raub,
Die allgemeine Fröhlichkeit nicht teilen?
    Marfa.
Laß mich allein und folge deinen Schwestern.
Ergehe sich in Lust, wer hoffen kann.
Mir kann das Jahr, das alle Welt verjüngt,
Nichts bringen; mir ist alles ein Vergangnes,
Liegt alles als gewesen hinter mir.
    Olga.
Beweinst du ewig deinen Sohn und trauerst
Um die verlorne Herrlichkeit? Die Zeit,
Die Balsam gießt in jede Herzenswunde,
Verliert sie ihre Macht an dir allein?
Du warst die Zarin dieses großen Reichs,
Warst Mutter eines blühenden Sohns, er wurde
Durch ein entsetzlich Schicksal dir geraubt,
Ins öde Kloster sahst du dich verstoßen,
Hier an den Grenzen der belebten Welt.
Doch sechzehnmal seit jenem Schreckenstage
Hat sich das Angesicht der Welt verjüngt.
Nur deines seh ich ewig unverändert,
Ein Bild des Grabs, wenn alles um dich lebt.
Du gleichst der unbeweglichen Gestalt,
Wie sie der Künstler in den Stein geprägt,
Um ewig fort dasselbe zu bedeuten.
    Marfa.
Ja, hingestellt hat mich die Zeit
Zum Denkmal eines schrecklichen Geschicks!
Ich will mich nicht beruhigen, will nicht
Vergessen. Das ist eine feige Seele,
Die eine Heilung annimmt von der Zeit,
Ersatz fürs Unersetzliche! Mir soll
Nichts meinen Gram abkaufen – Wie des Himmels
Gewölbe ewig mit dem Wandrer geht,
Ihn immer unermeßlich, ganz, umfängt,
Wohin er fliehend auch die Schritte wende,
So geht mein Schmerz mit mir, wohin ich wandle,
Er schließt mich ein wie ein unendlich Meer,
Nie ausgeschöpft hat ihn mein ewig Weinen.
    Olga.
O sieh doch, was der Fischerknabe bringt,
Um den die Schwestern sich begierig drängen!
Er kommt von fern her, von bewohnten Grenzen,
Er bringt uns Botschaft aus der Menschen Land;
Der See ist auf, die Straßen wieder frei –
Reizt keine Neugier dich, ihn zu vernehmen?
Denn sind wir gleich gestorben für die Welt,
So hören wir doch gern von ihren Wechseln,
Und an dem Ufer ruhig mögen wir
Den Brand der Wellen mit Verwundrung schauen.
    (Nonnen kommen zurück mit einem Fischerknaben)
    Xenia.
Sag

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