Dramen
ein, aber etwas rasch.
Der Bediente
über den Koffer gebeugt:
Es sind auch noch Briefe angekommen für Herrn Kammersänger.
Gerardo
nach rechts gehend:
Ja, ich habe sie schon gesehen.
Der Bediente:
Und Blumen!
Gerardo:
Ja, ja. – –
(Er nimmt die Briefe aus der Schale und wirft sich vor dem Flügel in einen Fauteuil.)
– Machen Sie jetzt nur um Gottes willen, daß Sie fertig werden!
Der Bediente ins Nebenzimmer ab.
Gerardo
öffnet die Briete, durchfliegt sie mit strahlendem Lächeln, zerknittert sie und wirft sie unter den Sessel. In einem der Briefe liest er laut:
»… Ihnen, meinem Gotte gehören! Für mein ganzes Leben mich unendlich glücklich machen, wie wenig Sie das kostet! Bedenken Sie…«
(Dann für sich:)
Allmächtiger Himmel! Ich soll morgen abend in Brüssel den Tristan singen und weiß nicht eine Note mehr! – Nicht eine Note! –
(Nach der Uhr sehend.)
Halb vier. – Noch dreiviertel Stunden. –
(Da klopft es:)
Herrrrrein!
Der Liftjunge
einen Korb Champagner hereinschleppend:
Ich soll das dem Herrn Kammersänger…
Gerardo:
Was? – Wer ist unten?
Der Liftjunge:
Ich solle das dem Herrn Kammersänger aufs Zimmer stellen.
Gerardo
sich erhebend
Was hast du denn?
(Ihm den Korb abnehmend)
Danke.
Der Liftjunge ab.
Gerardo
den Korb nach vorn schleppend:
Du barmherziger Gott, was soll ich damit anfangen!
(Liest die beigelegte Karte und ruft:)
Georg!
Der Bediente
den Arm voll Kleider, aus dem Nebenzimmer:
Es ist das letzte, Herr Kammersänger.
(Verteilt es in die verschiedenen Koffer und schließt sie.)
Gerardo:
Gut. – Ich bin für niemanden hier!
Der Bediente:
Weiß ich, Herr Kammersänger.
Gerardo:
Für niemanden!
Der Bediente:
Herr Kammersänger können ruhig sein. Ihm die Kofferschlüssel gebend: Die Schlüssel, Herr Kammersänger.
Gerardo
die Schlüssel einsteckend:
Für niemanden!
Der Bediente:
Die Koffer werden sofort heruntergetragen.
(Will gehen.)
Gerardo:
Warten Sie …
Der Bediente
kommt zurück:
Herr Kammersänger…
Gerardo
gibt ihm ein Trinkgeld:
Für niemanden!!
Der Bediente:
Danke gehorsamst.
(Ab.)
Dritter Auttritt
Gerardo
allein, nach der Uhr sehend:
Ein halbe Stunde.
(Sucht den Klavierauszug des »Tristan« unter den Blumen auf dem Piano hervor und singt auf und ab gehend mit halber Stimme:)
»Isolde! Geliebte! Bist du mein?
Hab' ich dich wieder? Darf ich dich fassen?«
Räuspert sich, greift zwei Terzen auf dem Flügel und beginnt von neuem:
»Isolde! Geliebte! Bist du mein?
Hab' ich dich wieder? …«
(Räuspert sich.)
Das ist eine infernalische Luft hier! –
(Singt:)
»Isolde! – Geliebte!«
Mir liegt etwas wie Blei auf den Nerven! – Luft! Luft!
(Geht nach links und sucht an den Gardinen die Zugschnur.)
Wo ist denn das? – Auf der anderen Seite. – Hier!
(Zieht rasch die Gardinen auf und wendet, da er Miß Coeurne vor sich sieht, in einer Art gelinder Verzweiflung den Kopf zurück.)
– Allgütige Vorsehung!
Vierter Auftritt
Miß Coeurne, Getardo
Miss Coeurne
sechzehn Jahr, in halblangem Kleid, offenem, blondem Haar, einen Strauß roter Rosen in der Hand, spricht mit englischem Akzent, Gerardo klar in die Augen sehend:
Ich bitte, schicken Sie mich nicht fort.
Gerardo:
Was soll ich denn anders mit Ihnen tun? Ich habe Sie, weiß der Himmel, nicht gebeten, hierherzukommen. Sie sind ungerecht, mein Fräulein, wenn Sie mir das übelnehmen wollen, aber morgen abend muß ich singen! Ich gestehe Ihnen offen, ich glaubte diese halbe Stunde für mich zu haben. Ich habe eben noch extra den Auftrag erteilt, niemanden, wer es auch sein möge, zu mir hereinzulassen.
Miss Coeurne
vortretend:
Schicken Sie mich nicht fort. Ich habe Sie gestern als Tannhäuser gehört, und ich bringe Ihnen nur diese Rosen.
Gerardo:
Und? – – Na? – – Und?
Miss Coeurne:
Mich!– –Ich weiß nicht, sag' ich es recht.
Gerardo
faßt die Lehne eines Sessels, nach kurzem Kampfe, den Kopf schüttelnd:
Wer sind Sie?
Miss Coeurne:
Miß Coeurne.
Gerardo:
So – ja.
Miss Coeurne:
Ich bin noch sehr dumm.
Gerardo:
Das weiß ich. Aber kommen Sie, mein Fräulein,
(sich in einen Fauteuil setzend und sie zwischen seine Knie ziehend)
sprechen wir ein ernstes Wort, wie Sie es in Ihrem kurzen Leben noch nicht gehört haben und – wie es Ihnen sehr not zu tun scheint. – Ich habe deswegen, weil ich Künstler bin – verstehen Sie mich bitte recht; Sie sind – wie alt sind Sie?
Miss Coeurne:
Zweiundzwanzig.
Gerardo:
Sie sind sechzehn,
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