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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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höchstens siebzehn. Sie machen sich einige Jahre älter, um begehrenswerter für mich zu erscheinen. – Nun? – Sie sind noch sehr dumm. Und ich habe in meiner Eigenschaft als Künstler doch wahrhaftig nicht die Pflicht, Ihnen, mein Fräulein, über Ihre Dummheit hinwegzuhelfen! Nehmen Sie mir das nicht übel. – Nun? Warum starren Sie jetzt vor sich hin?
    Miss Coeurne:
    Ich habe gesagt, daß ich noch sehr dumm bin, weil man das hier in Deutschland bei einem jungen Mädchen hochschätzt
    Gerardo:
    Ich bin nicht Deutscher, mein Kind, aber trotzdem…
    Miss Coeurne:
    Nun? – – Ich bin gar nicht so dumm.
    Gerardo:
    Ich bin auch schließlich kein Kindermädchen! – Der Ausdruck ist falsch, ich fühle es, denn – Sie sind allerdings kein Kind mehr?
    Miss Coeurne:
    Nein! – Gott sei Dank! – Jetzt nicht!
    Gerardo:
    Aber sehen Sie, mein wertes Fräulein – Sie haben Lawn-Tennis-Partien, Sie haben Skating-Klubs, Sie können radfahren, Sie können mit Ihren Freundinnen Bergpartien machen, Sie können schwimmen, reiten, tanzen. Sie haben jedenfalls alles, was sich ein junges Mädchen wünschen kann. Warum, mein Fräulein, kommen Sie denn dann zu mir?!
    Miss Coeurne:
    »Weil mir das alles abscheulich ist und weil ich es furchtbar langweilig finde.«
    Gerardo:
    »Da haben Sie recht; das will ich Ihnen gar nicht bestreiten. Ich selber, das muß ich Ihnen offen gestehen, ich kenne das Leben von einer anderen Seite. Aber, mein Kind, ich bin ein Mann und bin sechsunddreißig Jahre alt. Für Sie kommt auch die Zeit, wo Sie Anspruch auf einen höheren Lebensinhalt haben. Werden Sie zwei Jahre älter, dann findet sich gewiß jemand für Sie, und Sie brauchen sich nicht bei mir hier, bei jemandem, der – Sie nicht hergebeten hat und den Sie nicht näher kennen, als wie ihn – das ganze Europa kennt, hinter den Fenstervorhängen zu verbergen, um das Leben von seiner – erhabenen Seite zu kosten.«
    Miß Coeurne atmet schwer.
    Gerardo:
    »Nun? – Haben Sie aufrichtigen, herzlichen Dank für Ihre Rosen! « –
(Ihr die Hand drückend:)
»Wollen Sie sich für heute damit zufriedengeben?«
    Miss Coeurne:
    »Ich habe an einen Herrn noch nie gedacht, so alt ich bin, bis ich Sie gestern auf der Bühne als Tannhäuser gesehen habe. – – Und ich verspreche Ihnen auch…«
    Gerardo:
    »Oh, versprechen Sie mir nichts, mein Kind! Was kann mir das gelten, was Sie mir jetzt versprechen wollen? Der Nachteil wäre einzig auf Ihrer Seite. – Sie sehen, ich rede mit Ihnen, wie der liebevollste Vater nicht liebevoller reden kann. Danken Sie Gott, daß Sie mit Ihrer Unbesonnenheit nicht einem andern Künstler in die Hände gefallen sind.«
(Drückt ihr die Hand.)
»Ziehen Sie für Ihr Leben eine Lehre daraus und lassen Sie sich das genügen.«
    Miss Coeurne
ihr Taschentuch vor dem Gesicht, mehr für sich, aber ohne Tränen:
    »Bin ich so häßlich!«
    Gerardo:
    »Häßlich? – Häßlich sind Sie doch deswegen nicht! – Sie sind jung, und Sie sind unbesonnen!«
(Erhebt sich nervös, geht nach rechts, kommt zurück, legt den Arm um ihre Taille und ergreift ihre Hand.)
»Hören Sie mich, mein Kind! Sind Sie denn darum häßlich, weil ich zu singen habe, weil ich Künstler bin von Beruf! – Da heißt es gleich, ich bin häßlich, ich bin häßlich; ich kann hinkommen, wo ich will! Wenn ich eben auf dem Sprung bin, abzureisen, und morgen abend den Tristan … ! Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich bin, weil ich singe, doch wirklich nicht verpflichtet, Ihnen Ihre Jugendfrische und Ihre Schönheit zu bestätigen. Sind Sie deswegen häßlich, mein Kind? Appellieren Sie an andere Männer, die weniger angestrengt sind! Können Sie mir zutrauen, mein Fräulein, daß ich Ihnen je in meinem Leben so etwas sagen würde!
    Miss Coeurne:
    Sagen, das nicht, aber denken.
    Gerardo:
    Aber sagen Sie mir doch, bitte, das eine! Fragen Sie nicht nach meinen Gedanken Ihnen gegenüber; die kommen hier in diesem Augenblick nicht im geringsten in Betracht. Ich versichere Sie und bitte Sie, es mir auf mein Wort als Künstler zu glauben, weil ich ehrlich mit Ihnen rede: Ich bin leider ein Mensch, der kein Geschöpf auf dieser Welt, und sei es noch so armselig, leiden sehen kann.
(Sie musternd, aber mit Würde.)
Und Sie, mein Kind, Sie tun mir aufrichtig leid ; ich kann Ihnen die Versicherung geben, nachdem Sie Ihre Mädchenwürde soweit niedergekämpft, um hier auf mich zu warten. Aber rechnen Sie bitte, mein Fräulein, nur mit meinen Lebensverhältnissen!

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