Dramen
glaub ich Ihnen.
SCHWIGERLING.
Soviel steht indessen jetzt für mich fest, daß Fürst Iwan Michailowitsch bis zum Wahnsinn in Sie verliebt ist.
KATHARINA.
Der Dummkopf.
SCHWIGERLING.
Bis zum Wahnsinn – wenn nicht weit darüber hinaus! Als mich der Fürst in Petersburg als Professor für moderne Philologie engagierte, hatte er ohne Zweifel schon die kapitale Idee gefaßt, Sie, mein verehrtes Fräulein, auf übernatürlichem Wege durch mich gefügig zu machen.
KATHARINA.
Davon bin ich fest überzeugt.
SCHWIGERLING.
So?
KATHARINA.
Das sieht ihm vollkommen ähnlich.
SCHWIGERLING.
Ja. Ich muß gestehen, daß ich nicht darauf gefaßt war. – Nun befinde ich mich also in der unangenehmen Lage, ihm entweder Sie, mein verehrtes Fräulein, so wie Sie dasitzen, in die Arme zu liefern oder meinen – Mangel an Welterfahrung, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit meiner Freiheit, wenn nicht mit meinem Leben zu bezahlen.
KATHARINA.
Er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING.
Komtesse brauchten die Angelegenheit ja nicht allzu ernst zu nehmen. Eine kleine Komödie. Wenn sich Komtesse die Fingerspitzen küssen lassen wollten. Das hätte nicht die geringsten Konsequenzen für Sie.
KATHARINA.
Er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING.
Er ist Ihnen zu dumm?
KATHARINA.
Ja. Er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING.
Er ist allerdings sehr dumm; unwahrscheinlich dumm; das läßt sich nicht leugnen. Aber – um so besser für uns. Wenn ihm Komtesse zum Beispiel ein Rendezvous geben – möglichst weit vom Hause entfernt – an einer romantischen Stelle im Urwald …
KATHARINA.
Er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING.
Ich glaube Ihnen mit meiner Kavaliersehre dafür bürgen zu können, daß Sie nichts dabei aufs Spiel setzen.
KATHARINA
sich erhebend.
Er ist mir zu dumm.
(Geht nach rechts.)
SCHWIGERLING.
Weiß Gott im Himmel, ich bin der letzte, der das einem hübschen, begehrenswerten, jungen Mädchen, wie Sie es sind, verdenken kann. Aber es wäre doch nicht mehr als ein Scherz. Halten Sie mich bitte nicht der Ungeheuerlichkeit für fähig, daß ich Ihnen meiner Rettung wegen ein wirkliches Opfer zumute!
KATHARINA
rechts vorn.
Er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING
erhebt sich nervös, geht nach links vorn.
Wenn er Ihnen denn tatsächlich zu dumm ist …!
(Sich halb umwendend.)
Es gilt ja allerdings nur ein Kunstreiterleben, Komtesse!
KATHARINA
sehr ruhig.
Wenn ich Ihnen aber sage, er ist mir zu dumm.
SCHWIGERLING
zuckt die Achseln.
Na, denn nicht!
KATHARINA.
– Sagen Sie mir bitte, Herr …
SCHWIGERLING.
Fritz Schwigerling.
KATHARINA.
Ist es richtig, daß man im Zirkus die freie Verfügung über seine Person behält?
SCHWIGERLING.
Jedenfalls wird man nicht an Händen und Füßen gefesselt in den Keller geworfen!
KATHARINA.
Danach frage ich jetzt nicht!
SCHWIGERLING.
Wonach fragen Sie denn?
KATHARINA.
Ich meine, ein junges Mädchen. Eine Schulreiterin.
SCHWIGERLING.
Darum kümmert sich der Zirkus nicht. Halten Sie den Zirkus bitte nicht für ein …
KATHARINA.
Davon bin ich weit entfernt. Im Gegenteil, ich habe, so gut es mir allein möglich war, mich selbst zur Schulreiterin ausgebildet.
SCHWIGERLING.
Wir taxieren eine Künstlerin nach ihrer Grazie, ihrem Temperament, nach ihrer – Seele, wenn Sie mir den Ausdruck erlauben. Ob Sie eine Schauspielerin als Ophelia oder eine Seiltänzerin auf dem hängenden Draht sehen, das Ausschlaggebende ist immer nur der Mensch, die geistige und körperliche Schönheit: Die Schönheit der Bewegung und die Schönheit der Formen. Und was wir auf dem Draht, im Trapez, am Reck, in den römischen Ringen vom Menschen verlangen, das suchen wir beim Tier durch die sorgfältigste, umsichtigste Erziehung zu wecken. Der Geist, die Seele, die in dem schönen Organismus schlummert, muß in vollendeter, rhythmisch gebundener Form zutage treten. Es war etwa vor hundert Jahren, da lebte in Deutschland oder wo ein sogenannter – Dichter, ein gewisser – wie nannte er sich doch noch …
KATHARINA
schüchtern.
Goethe?
SCHWIGERLING.
Goethe? – Ganz recht! Woher wissen Sie denn das? Sie können ihn doch un möglich gekannt haben.
KATHARINA.
Ich habe etwas von ihm gelesen.
SCHWIGERLING.
Sie auch?
KATHARINA.
Nur ein paar Sätze.
SCHWIGERLING.
Mehr habe ich auch nicht von ihm gelesen. Dieser – Goethe sagte, als er in Göttingen in die Reitbahn des großen berühmten Stallmeisters Ayer kam …
KATHARINA.
Gewiß, das ist es gerade, was ich von ihm gelesen habe!
SCHWIGERLING.
Sie
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