Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft
Und vor der Bullerei sollteste dir auch hüten. Obwohl, ich meine: Den Bullen is eijentlich ejal, wat da passiert. Dit is denen zu poplich.«
Kurz vor fünf sehe ich den bekannten Kastenwagen kommen. Er hält einmal auf Höhe des Sowjetischen Ehrenmals, nun bewegt er sich ohne Zwischenstopp in seine Richtung. Es ist der gelbe Ford Transit, der ihn schon zweimal aufgepickt hat. Gehört wohl einem Trupp von Rumänen. Neben mir stoppt das Fahrzeug. Der Beifahrer hat mich wieder erkannt, lässt das Fenster herunterschnurren, sagt: »Dreifunfzig!«
»Okay«, sage ich, will einsteigen.
»Was – Kollege?« Er deutet auf den Mann, der mir Kaffee angeboten hatte.
»Soll ich fragen?«
»Ja, fragen.«
Ich rufe dem Mann zu, ob er einen Job für dreifünfzig in der Stunde wolle. Der nickt, nimmt den Rucksack in die Hand und beeilt sich, zum Wagen zu kommen. Ich habe die Seitentür aufgeschoben und bin schon eingestiegen. Der andere klettert hinterher, zieht die Tür zu. Außer den beiden sitzen schon zwei Männer auf der Bank. Man ist komplett. Der Bus nimmt Fahrt auf – bald sind wir auf der Stadtautobahn in Richtung Schönefeld. Und wie ich’s geahnt habe: Es hat zu schneien begonnen. Berlin ist schweinekalt an diesem Morgen.
Die Rumänen reden nicht mit ihren Arbeitern und haben sich auch nicht viel zu sagen. Der Fahrer – Lederjacke, Rollkragen-Pulli, Schiebermütze – lenkt mit einer Hand, die andere ist damit beschäftigt, sich ständig irgendwo zu kratzen. Im Nacken, hinter den Ohren, auf der Brust, im Schritt. Sein Kollege trägt einen Blaumann und einen abgewetzten Anorak. Er raucht unablässig, schnippt die Kippen aus dem Fenster, das er trotz der Kälte nicht geschlossen hat.
Wir passieren den Flughafen Schönefeld, verlassen hinter Waltersdorf die Autobahn. Der Fahrer lenkt den Wagen über immer kleinere Straßen in Richtung Westen. Da es nun stärker schneit, ist die Stadt im Norden nicht mehr zu erahnen. Schließlich biegt der Wagen von einer kleinen Teerstraße auf einen Feldweg ab. Es geht durch ein Hoftor, wir rollen auf dem Platz vor ein paar Gebäuden aus. Es ist sechs Uhr morgens.
»Los! Schnell! Arbeit!«, sagt der Raucher. Der Fahrer guckt die Arbeitsstricher nicht an. Er lässt die Scheibe auf der Beifahrerseite hochfahren, sucht ein anderes Radioprogramm, schiebt die Mütze in die Stirn und lässt den Kopf gegen die Nackenstütze sinken. Der Raucher hat gemeint »Du warten hier!« und ist in einer Art Stall verschwunden. Wir vier Männer stapfen auf der Stelle, um uns warm zu halten. »War einer von euch schon mal hier?«, will ich wissen. Die anderen schütteln die Köpfe. Das hier ist für alle Neuland.
Kümmere dich nicht um die anderen. Streif’ die Arbeitshandschuhe an, zieh’ die Hose hoch und pack’ an! Der Rumäne führt uns in einen Stall. Die Boxen für die Tiere sind leer, ansonsten türmt sich Gerümpel aller Art. »Du werfen das auf Laster«, sagt der Rumäne zu uns. Macht uns verständlich, dass der Wagen minütlich erwartet werde. Dann sollten wir den Stall besenrein räumen. »Wenn fertig – andere Haus!« Der Auftraggeber deutet durchs Scheunentor auf einen noch größeren Stall auf der anderen Seite des Hofs. Wir sehen auf den Müll, der zu entsorgen ist, addieren noch einmal die gleiche Menge dazu und wissen: Das wird ein harter Tag. Der Laster rollt auf den Hof, fährt rückwärts an das Stalltor. Wir beginnen zu arbeiten.
Zuerst die leichteren Teile. Bretter, Platten, halb volle Säcke, Farbeimer. Du nimmst Abfall in beide Hände, trottest damit zum Wagen und schleuderst den Schrott auf die Pritsche. Zurück in den Stall, nächster Gang. Das ist anfangs nicht anstrengend. Eher empfindest du das Arbeiten als angenehm, weil dir endlich warm wird. Eintönig ist es. Gehen. Abfall aufklauben. Abfall auf den Laster werfen. Und wieder und wieder und wieder.
Du beachtest die drei anderen nicht. Jeder verrichtet hier seinen Job. Den Männern ist nicht anzusehen, ob sie über etwas nachdenken oder ob der Kopf auf Standby geschaltet ist. Sie haben starre Gesichter, aus denen stoßweise Atemfahnen in die Kälte quellen. Der Nachbar vom Treptower Park arbeitet mit stoischer Disziplin. Er lädt sich schwere Lasten auf und hält in seinen Bewegungen nicht inne. Jetzt sind nämlich die schweren Sachen an der Reihe. Und nun ist die Angelegenheit überhaupt nicht mehr angenehm.
Eine Zeit lang arbeiten wir schweigend, jeder für sich. Dann müssen wir uns zusammentun. Der Müll, den
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