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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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wir nun entsorgen sollten, wird immer unhandlicher und schwerer. Ich und der Kaffee-Mann sind das eine Team, die beiden anderen wortkargen Typen scheinen ohnehin irgendwie zusammenzugehören.
    Irgendwann hieven Jan – so heißt der Kaffee-Mann – und ich ein langes breites Brett aus dem Holzhaufen. Drauf steht etwas von Schweinezucht und VEB. Langsam marschieren wir, das Brett unterm Arm, zum Laster. Ich bin erstaunt: Volkseigener Betrieb, das hatte ich schon geahnt, als wir auf die graubraunen, sehr heruntergekommenen, fensterarmen Flachbauten zugefahren waren. Doch im Inneren hatte alles eher nach großen Pferdeställen ausgesehen. Ja, was denn nun: Schweine oder Pferde? Solche Gedanken macht man sich schon einmal, wenn der Tag noch lang und die Arbeit nicht endend doof ist. So reimte ich mir eine Geschichte zusammen (die – das nur nebenbei – der Realität sehr nahe kam):
    Vor der Wende hatte es hier im Umkreis von fünf Kilometern, je nach Windrichtung, nach kotenden, pissenden Schweinen gestunken. Hier waren tonnenweise Anabolika aus Jena an rasend wachsende, wässriges Fleisch ansetzende Paarhufer ausgegeben worden, die später mal als Kadaver im kleinen Grenzverkehr zur Auszehrung der kapitalistischen Menschheit jenseits des Eisernen Vorhangs geschafft worden waren.
    Dann gab es die Wende – und hastdunichtgesehen wollte niemand im neuen Volk mehr den eigenen Betrieb. Dafür kamen smarte Herren in guten Anzügen in ihren beneidenswerten Karossen über den Schotterweg und beguckten sich die verfallenden Gebäude. Und irgendwann sagte einer: Koof ick. Hat alles gekauft, sich die Hände gerieben und wollte im Süden einer grenzenlos boomenden Weltstadt eine Luxus-Wellness-Pferde-Golf-Farm aufziehen. Doch der Mann hatte irgendwie blöde kalkuliert. Und so begab es sich, dass er erst mal nicht bauen konnte, dann kein Geld fürs Bauen hatte, dann alles noch einmal ein bisschen aufschob. Nun begannen seine verbliebenen Anzüge verschlissen auszusehen, der Wagen war schon lange weg – und an Bauen war nicht mehr zu denken. Der Mann musste Schulden bezahlen und zusehen, wie er überlebte.
    Also verschleuderte er die wertlosen Gebäude und den kostbaren Grund an einen anderen Herrn, der noch superschnieke gekleidet war und es nicht unter einem Porsche machte. Der wiederum wollte nicht bauen, sondern abreißen. Weg mit dem VEB-Plunder. Alles besenrein. Warten. Auf die Herren mit den Bugattis. Und zum Abreißen hatte sich der Porsche-Mann die billigen Rumänen besorgen lassen. Aber die machten sich doch die Hände nicht dreckig. Die fuhren zum Treptower Park und luden mich und solche wie mich in ihren Kombi.
    So wird das sich wohl zugetragen haben, dachte ich, während wir das VEB-Brett auf den Anhänger schmissen. So muss das wohl gewesen sein. Solche Gedanken macht man sich eben, wenn man sich die vermaledeite Zeit vertreiben will. Gegen eins war Gebäude 1 leer. Der Rumäne griff sich unter den Jeans-Stoff, kratzte ausgiebig in der Arschfalte und meinte: »Gut, Mittag. Halbe Stunde Pause. Dann andere Haus.«
    Wir setzten uns, mit dem Rücken zur Wand, auf Pappkartons und packten aus, was wir mitgebracht hatten. Ich riss eine Aldi-Wurstpackung (Schinken, angeblich aus dem Schwarzwald) auf, holte das preiswerte Brot (volles Korn) und die Tüte Milch (Magerstufe) aus meinem Rucksack. Halt, noch den Senf (Düsseldorfer, angeblich) – ich war schließlich Genießer. Zwei Scheiben Schinken aufs Brot, den Senf mit dem Taschenmesser draufgestrichen, eine Scheibe Brot drauf. Das schmeckt immer. Ich trinke und esse gierig. Eine halbe Stunde ist so schnell vorbei. Die beiden Maulfaulen hatten ihre Stullen schon zu Hause geschmiert und packen bedächtig eine nach der anderen aus. Dazu trinken sie Bier (das Gute aus der Plastikflasche, die man beim Aldi recycelt).
    Jan hat Vorgekochtes dabei. Mit Genuss löffelt er eine Art kalten Eintopf aus der Tupperschüssel. Er trinkt sehr schnell die Wasserflasche (still, reine Quelle, eineinhalb Liter) leer. Danach gibt es ein Stück Kuchen. »Willst du auch? Selbst gebacken, von meiner Frau«, fragt er mich und sieht ziemlich froh und sehr nett aus. Ich lehne ab. Ich sei kein Süßer, sage ich. Eigentlich hätte ich gerne auch so einen Kuchen gehabt – aber ich will Jan nichts wegessen. Dessen Frau hat mit Sicherheit nicht für einen Fremden gebacken.
    Draußen liegt der Schnee mittlerweile knöchelhoch. Es ist sehr still. Von ganz ferne raunt die Stadt – ansonsten hört man nur

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