Draußen wartet die Welt
ihm um, lächelte schüchtern und streckte ihm sein Taschentuch hin. Er steckte es zurück in seine Hosentasche.
»Eigentlich wollte ich noch gar nicht gehen. Ich wollte nur was für dich aus meiner Kutsche holen.«
Er fasste in die Kutsche und drückte mir ein kleines Päckchen in die Hand. Ich öffnete vorsichtig das Zeitungspapier, in das es eingewickelt war, und lächelte, als ich die Holzschnitzerei sah, die sich in meine Finger schmiegte.
»Das habe ich gemacht«, sagte Daniel, aber das wusste ich auch so. Ich erkannte die glänzende Politur und die weichen Kurven. Es war ein kleines Nest, aus dem ein Vogel davonflog, mit ausgebreiteten Flügeln und zur Seite geneigtem Kopf. Die Federn des Vogels waren in sanften Linien eingeritzt und das Nest war ein komplexes Gebilde aus ineinander verwobenen Zweigen. Ich wog die Schnitzerei in meiner Hand und ließ meine Fingerspitze über die verschiedenen Strukturen gleiten.
»Ich habe am Abend nach dem Scheunenrichtfest angefangen, daran zu arbeiten. Als du mir gesagt hast, dass du fortgehen möchtest.«
»Es ist wundervoll.« Ich brachte nur ein Flüstern heraus, und Daniel musste sich nach vorn beugen, um meine Worte zu verstehen. In all der Zeit seit dem Scheunenrichtfest, während ich wütend auf ihn gewesen war, weil er Hannah mit zu der Party gebracht hatte, hatte er dieses Geschenk für mich gemacht. Ich hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Das werde ich mitnehmen.«
Daniel lächelte. »Gut, also, ich sollte jetzt gehen. Ich bin froh, dass wir uns noch unterhalten konnten.«
»Das bin ich auch.«
Ich wartete darauf, dass er sich von mir entfernte und zu seiner Kutsche ging, aber stattdessen machte er noch einen Schritt auf mich zu. Bevor ich etwas sagen konnte, presste er seine Lippen auf meine. Sie fühlten sich kühl und feucht an, eine leichte, zärtliche Berührung, wie der erste Tropfen eines Sommerregens. Dann ging er genauso schnell wieder einen Schritt zurück. Ich legte meine Fingerspitze an meine Lippen.
»Schreibst du mir?«, fragte er. Ich nickte und Daniel kletterte auf seine Kutsche. Als er die Zügel aufnahm, schaute er noch einmal zu mir herunter. »Genieß deine Reise, Eliza«, sagte er. »Und komm dann wieder in dein Nest zurück.«
Kapitel 10
Am nächsten Morgen stand ich als Erste auf. In der silbernen Stille der Morgendämmerung begutachtete ich noch einmal den Inhalt der Reisetasche, die ich am Abend gepackt hatte, nachdem die Gäste gegangen waren. Neben all meinen neuen Kleidern lagen darin ordentlich zusammengelegt ein Kleid, eine Schürze und eine Kapp. Meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich sie einpackte. »Damit du dich immer daran erinnerst, wer du bist«, hatte sie gesagt. In einem Stoffbeutel befanden sich einige Bücher, meine Zahnbürste, ein Kamm, Quiltzubehör und die Geschenke für Rachels Kinder. Bevor ich die Tasche zumachte, steckte ich Daniels Holzschnitzerei in ein Seitenfach.
Ich hatte mir ausführlich Zeit gelassen, mich zu entscheiden, was ich heute anziehen wollte. Meine Wahl war schließlich auf die Jeans und die rosa Spitzenbluse gefallen. Meine neuen Turnschuhe fühlten sich weich gepolstert und gemütlich an. Ich war mir meiner nackten Arme, meines unbedeckten Kopfes und der Art und Weise, in der sich die Jeans an meine Beine schmiegte, sehr bewusst.
Ruthie setzte sich im Bett auf und rieb sich die Augen. Ihr zerzaustes Haar fiel über ihre Schultern. Sie krabbelte über das Bett und lehnte ihren Kopf an meinen Arm und die goldenen Strähnen kitzelten auf meiner Haut.
»Ich werde dich so vermissen.«
»Wir werden uns ganz oft schreiben«, tröstete ich sie. Ich hielt inne, als mir plötzlich etwas aufging. Ich würde zwar die Worte meiner Familie und meiner Freunde lesen können, aber solange ich in der modernen Welt lebte, würde ich weder ihre Gesichter sehen noch ihre Stimmen hören.
Unten in der Küche rührte meine Mutter den Teig für die Pfannkuchen. Ich stellte meine Reisetasche und den Stoffbeutel neben die Haustür. Sie warf einen flüchtigen Blick darauf, wandte sich jedoch sofort wieder ab. James betrachtete mich von oben bis unten. »Du siehst englisch aus«, sagte er.
Ruthie fuhr mit ihren Fingern über den Stoff der Jeans. »Das fühlt sich gar nicht weich an«, wunderte sie sich.
»Ich weiß. Aber angeblich gewöhnt man sich daran.« Ich warf meiner Mutter ein Lächeln zu.
Wir setzten uns an unsere üblichen Plätze rund um den Küchentisch und gaben uns die Hände, um
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