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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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schaltete den Motor aus und sah zu mir herüber. »Willkommen zu Hause«, sagte sie.
    Als wir zur Rückseite des Wagens gingen und meine Taschen aus dem Kofferraum holten, wurde die Haustür aufgestoßen und zwei Kinder rannten auf uns zu. Rachel schlang ihre Arme um den Jungen und das Mädchen und deutete dann auf mich. »Janie, Ben, das ist Eliza. Sie ist euer neues Kindermädchen.« Ich beugte mich hinab, bis ich auf Augenhöhe mit den Kindern war. Sie rochen nach Kaugummi. Ben war ein knochiger Junge, der nur aus Knien und Ellbogen zu bestehen schien, und beinahe einen Kopf größer als seine Schwester. Sein Haar, ein schwarzer Lockenschopf, war unter einer Baseballmütze versteckt, die verkehrt herum auf seinem Kopf saß. Janie wirkte ein wenig weicher, mit blauen Kulleraugen und langem schwarzem Haar. Sie lächelte mich ebenso artig wie neugierig an. Ben schaute auf seine Turnschuhe hinunter und tippte immer wieder mit dem Fuß auf den Asphalt der Einfahrt. »Sie sieht gar nicht aus wie Missy«, murmelte er leise.
    »Das liegt daran, dass sie nicht Missy ist«, sagte Rachel ernst. »Sie ist Eliza. Wir haben doch schon darüber gesprochen, Ben. Missy hat ihren Abschluss am College gemacht und hat jetzt einen neuen Job. Sie kann nicht mehr unser Kindermädchen sein.«
    »Weiß die da denn irgendwas über Baseball?«, fragte er und schaute noch immer auf den Boden.
    »Die da hat einen Namen«, erwiderte Rachel streng. Sie sah mich an. »An den Manieren arbeiten wir noch.«
    »Schon in Ordnung«, versicherte ich, aber mir kam der Gedanke, dass diese Arbeit vielleicht doch schwieriger werden würde, als ich vermutet hatte.
    Rachel hob meine Reisetasche auf und reichte mir den Stoffbeutel. Gemeinsam gingen wir durch die Garage ins Haus und Janie und Ben folgten uns.
    Auf den ersten Blick war alles, was ich in Rachels Haus sah, schwarz und weiß – wie die Regionalzeitung oder der Fliesenboden im Kurzwarenladen. An der weißen Wand hing eine Sammlung von Fotos und auf jedem der schwarz gerahmten Bilder saßen die Kinder in einer seltsam steifen Pose vor einem weißen Vorhang. Wie allen amischen Kindern hatte man auch mir beigebracht, dass Fotografien den Menschen die Seele rauben. Manchmal schauten meine Freundinnen und ich uns Zeitungen und Zeitschriften an und machten Witze über die Menschen auf den Bildern, die ohne Seele durchs Leben gingen. Aber das war das erste Mal, dass ich Fotos von Menschen sah, die ich persönlich kannte. Es war faszinierend, diese in der Zeit eingefrorenen Momente zu sehen. Ich konnte meinen Blick gar nicht davon abwenden.
    Im selben Moment trat Rachels Mann ins Zimmer und streckte mir seine Hand entgegen. »Rachel hat mir schon so viel von dir erzählt, Eliza. Willkommen in unserer Familie.« Ich schüttelte seine weiche, schwielenlose Hand.
    Sam hatte ein freundliches Gesicht. Seine Augen hatten die Farbe von Ahornrinde, und die Falten in den Augenwinkeln wurden tiefer, wenn er lächelte. Sein Haar war genauso schwarz wie das seiner Kinder, nur dass es hier und da von einigen grauen Stellen durchzogen war. Sein Bart war ordentlich getrimmt, ganz anders als die wilden, zerzausten Bärte der amischen Männer, die ich immer mit einer langen Ehe in Verbindung brachte.
    »Komm, Eliza, wir zeigen dir das Haus«, sagte Rachel. Die Kinder hüpften vor den Füßen ihrer Mutter herum, und ich schob das Gefühl beiseite, dass ich womöglich doch nicht hierhergehörte. Diese Menschen schienen so gut zusammenzupassen. Ich fragte mich, ob ich mich je als Teil ihrer Familie fühlen würde.
    Ich folgte Rachel und den Kindern durch den schwarz-weißen Flur in die Küche. Das Licht, das von der Decke leuchtete, brachte die strahlend weißen Schränke zum Glänzen. Bevor Janie mich an der Hand nahm und mich ins nächste Zimmer zerrte, konnte ich noch mehrere Maschinen auf der Arbeitsplatte erkennen. Ich konnte es kaum erwarten, herauszufinden, was man damit machte.
    Meine Füße wanderten vom weißen Fliesenboden auf einen weichen Teppich, dessen Farbe mich an Pilze erinnerte. »Das ist das Familienzimmer«, erklärte Rachel. »Hier verbringen wir den Großteil unserer Zeit.«
    Der Raum erstrahlte in leuchtendem Violett, Blau, Grün und Pink. Meine Mutter hätte die Farben als zu grell bezeichnet, aber ich fand sie genau richtig. Wie eine bunte Schale mit Obst. Die Polstermöbel waren alle zu einer Wand ausgerichtet, an der ein großer Bildschirm hing und mehrere schwarze Kästen mit Knöpfen

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