Draußen wartet die Welt
ich, aber die Kinder schienen mich gar nicht zu hören.
In der Küche wirkte Rachel sehr entspannt. Zu Hause wäre das ganze Haus inzwischen von den Geräuschen und Düften der Essensvorbereitungen erfüllt gewesen. »Kann ich dir mit dem Abendessen helfen?«, fragte ich.
»Das wär toll«, freute sich Rachel und zeigte auf den Kühlschrank. »Du könntest den Salat machen.«
Ich ließ meinen Blick über die Kühlschrankfächer schweifen und öffnete eine Schublade. Ich nahm zwei Tomaten heraus und bemerkte, dass sie hart und kalt waren, ganz anders als die roten Tomaten, die meine Mutter von unserem Strauch im Garten pflückt und anschließend auf dem Fensterbrett aufbewahrt. Ich suchte nach einem Salatkopf, fand stattdessen jedoch nur eine verschweißte durchsichtige Tüte mit der Aufschrift »Salatmischung«. Ich öffnete die knisternde Tüte, schüttelte den Inhalt in die Holzschüssel, die Rachel mir für den Salat aus dem Schrank geholt hatte, und sah zu, wie die klein geschnittenen Salat-, Kohl-und Karottenstreifen durcheinanderpurzelten. Ein paar der Blätter hatten braune Ränder und der Salat roch ganz komisch, nach Plastik.
Anschließend deckte ich den Tisch, während Rachel kochte – oder vielmehr verrichtete ein kleiner Ofen, eine »Mikrowelle«, den Großteil der Arbeit. Während der gesamten Vorbereitungen für das Abendessen tauchte nicht ein einziger Topf oder eine Pfanne auf dem Herd auf und keine Küchendüfte strömten durch die Luft. Stattdessen griff Rachel immer wieder in den Gefrierschrank und leerte den Inhalt diverser Tüten in kleine weiße Schüsseln, die dabei jedes Mal klirrende Geräusche verursachten. Sie stellte die Schüsseln eine nach der anderen in den kleinen Ofen, drückte mehrere Knöpfe und wartete auf drei laute Pieptöne, die ihr sagten, dass das Essen fertig gekocht war.
Am Tisch saß ich zwischen Ben und Janie und streckte meine Hände zu beiden Seiten aus, wie ich es auch zu Hause vor jeder Mahlzeit tat. Aber Sam füllte seinen Teller bereits mit Essen, und Ben bat um etwas Mais, also ließ ich meine Hände schnell wieder in meinen Schoß fallen und hoffte, dass niemand etwas bemerkt hatte. Ich leierte das Gebet schnell in meinem Kopf herunter, bevor ich Ben die Schüssel mit dem Mais abnahm. Die Körner waren allem Anschein nach von unsichtbaren Händen fein säuberlich vom Kolben geschabt worden.
Während ich in den kleinen Essenshäppchen auf meinem Teller herumstocherte, hatte ich das Gefühl, mit neuen Eindrücken regelrecht bombardiert zu werden. Ben und Janie stritten darüber, welche Fernsehsendung sie nach dem Abendessen anschauen wollten. Dann stritten sie darüber, wer an der Reihe war, die Sendung auszusuchen. Sam ermahnte sie, dass sie gar keine Sendung sehen würden, wenn sie nicht aufhörten zu streiten. Die Stimmen schwirrten um mich herum, als kämen sie von ganz weit weg.
»Schmeckt dir das Hühnchen?«, fragte Rachel. »Ich weiß, dass ich keine besonders gute Köchin bin.«
Ich hatte die weißen, ovalen Fleischstücke auf meinem Teller gar nicht als Hühnchen erkannt. Sie hatten keine Knochen und alle Teile sahen gleich aus. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sie mit dem Vogel hatten tun müssen, um Fleisch in dieser glatten, gleichmäßigen Form zu erhalten.
»Es ist gut«, antwortete ich. »Ich bin nur nicht sehr hungrig.«
»Es war ein langer Tag für dich, nicht wahr, Eliza?«, hörte ich Sams tiefe, beruhigende Stimme. Sie starrten mich alle an und warteten darauf, dass ich etwas erwiderte. Ben und Janie hörten auf zu essen und beendeten ihren Streit. Sam und Rachel tauschten einen Blick.
Ich nickte. »Ein guter Tag«, sagte ich, und Sam lächelte.
Nach dem Abendessen trug Sam seinen Teller zum Spülbecken, bevor er sich die Zeitung nahm und aus der Küche ging. Die Kinder verschwanden ins Familienzimmer. Zu Hause hätten wir nie spielen dürfen, bevor nicht alles sauber und aufgeräumt war. Englische Kinder haben ein schönes Leben, dachte ich.
Nachdem das Geschirr vom Abendessen ordentlich in der Spülmaschine verstaut war, verriet mir das rege Brummen, dass eine Maschine nun die Arbeit verrichten würde, die meine Mutter und ich zu Hause allabendlich im Lichtschein der Kerosinlampe taten, unsere Schürzen ganz nass vom Spülwasser. Rachel hingegen trug noch nicht einmal eine Schürze. Vielleicht passierte in dieser Küche ja nie etwas, bei dem man sich schmutzig machte.
Rachel seufzte. »Endlich fertig«, stieß sie
Weitere Kostenlose Bücher