Draußen wartet die Welt
ich da rede, oder?« In seiner Stimme schwang nicht der geringste Vorwurf mit, höchstens ein Hauch von Verwunderung.
Ich schüttelte den Kopf. Josh hob die Augenbrauen. »Das versteh ich nicht. Iowa ist doch gar nicht so weit weg.«
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Ich fürchte, ich habe vergessen, zu erwähnen, dass ich eine Amische bin.«
»Ho!«, rief er aus. Das Wort klang lustig für mich, schließlich hatten wir gar kein Pferd vor uns. »Du meinst die Leute, die keinen Strom haben?«
»Genau die sind wir.«
»Also auch kein Fernsehen? Kein Kino? Keine Autos?«
»Das ist alles verboten«, bestätigte ich und versuchte, nicht zu ernsthaft zu klingen. »Aber während ich hier bin, darf ich so leben wie ihr.«
»Tja, da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns«, sagte Josh. Er stand vom Küchentisch auf und verschwand in Richtung Wohnzimmer. Ich folgte ihm, aber die beiläufige Art und Weise, in der er »wir« gesagt hatte, löste ein aufgeregtes Kribbeln in meiner Brust aus.
»Hier«, sagte er und deutete auf eine Stelle auf dem Wohnzimmerteppich. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Boden. Er griff nach einer Kiste in einem der unteren Regale, das mit flachen quadratischen Gegenständen gefüllt war. »Ich muss meinen iPod erst aufladen, deshalb müssen wir das auf die altmodische Weise machen.« Dann sah er mich an und fügte hinzu: »Tja, das passt ja auch, oder?«
Ich nickte und tat, als hätte ich ihn verstanden. Während ich zusah, wie Josh in der Kiste herumkramte, wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich mit einem Yankee-Jungen allein war. Das war definitiv nicht das Verhalten einer guten Amischen. Aber ich war nicht nervös. Ich fühlte mich wie ein anderer Mensch, ich fühlte mich cool.
»Also«, fragte Josh, »hast du überhaupt schon mal Musik gehört?«
»Auf dem Weg hierher in Rachels Auto habe ich ein bisschen Radio gehört. Und ich war auf ein paar Partys, bei denen Musik im Hintergrund lief. Aber ich habe keine Ahnung, was wir da gehört haben.«
»Okay«, sagte Josh. »Dann fangen wir mit den Grundlagen an. Es gibt viele verschiedene Arten von Musik, aber die erste, über die du Bescheid wissen solltest, ist Rock. Das hat in den 1950ern angefangen, und es gibt jede Menge verschiedene Bands, die Rockmusik machen.«
»Ist er auch in einer von denen?«, wollte ich wissen und zeigte auf den langhaarigen Mann auf Joshs T-Shirt.
Josh nickte und lächelte traurig. »Das war er«, antwortete er. »Das ist John Lennon. Er war bei den Beatles, so ziemlich die großartigste Band, die es je gegeben hat. Ihm lag der Weltfrieden sehr am Herzen.«
»Lag?«
»Bis irgendein Irrer ihn erschossen hat. Das ist schon ewig her. Noch bevor ich geboren wurde.«
Dann trug Josh also das Bild eines Mannes auf der Brust, von dem er voller Hochachtung sprach, der aber bereits sein ganzes Leben lang tot war. Ich wollte unbedingt mehr über diese Leidenschaft erfahren, die so stark war, dass man sie der ganzen Welt mitteilen wollte.
»Egal«, fuhr er fort, »wir werden uns langsam zu ein paar neueren Sachen vorarbeiten. Aber fangen wir erst mal mit den Klassikern an. Die Beatles, die Stones, Dylan.« Ich versuchte, mir all seine Worte zu merken. Josh widmete sich wieder den flachen Quadraten und zog eines aus der Kiste. »Wo wir gerade von Klassikern sprechen«, sagte er und hielt ein Quadrat hoch, auf dem eine leuchtend rote Zunge zu sehen war, die zwischen zwei blauen Lippen hervorgestreckt wurde. »Sag mir, was du davon hältst.«
Er öffnete die flache Schachtel, holte eine silberne Scheibe heraus und legte sie in die Musikmaschine. Ein lang anhaltendes Dröhnen machte sich im Raum breit, und ich hörte immer und immer wieder die gleiche Zeile: Der Sänger beschwerte sich darüber, dass er nicht zufrieden war, und brüllte uns unerbittlich an. Seine Stimme klang laut und heiser, so als sei er gleichzeitig frustriert und stolz. Josh beobachtete mich, während ich der Musik lauschte. »Das gefällt dir nicht, oder?«
»Na ja, die Worte ergeben für mich keinen Sinn, aber es ist irgendwie so lebendig. Ich würde am liebsten mitsingen, obwohl ich es gar nicht verstehe.«
Josh lächelte. »Jep«, sagte er und drückte auf einen Knopf, um die Musik auszuschalten. »Das ist Rock.« Er drehte sich wieder zu der Kiste mit den flachen Quadraten um, schaute sich eins nach dem anderen an, schüttelte hin und wieder den Kopf und warf eines von ihnen zurück, so als habe er einen zu mickrigen
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