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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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eine ganze Geschichte erzählen konnte. Ich liebte die samtweichen, dröhnenden Klänge, die mir förmlich in die Glieder fuhren, und meine Hausarbeit fühlte sich genauso an, wie ich mir das Tanzen vorstellte. Ich sang die Lieder über Liebe, Traurigkeit und Hoffnung mit, bis sich meine Stimme mit der der Musiker vermischte und ich ein Teil der Musik wurde.
    Am Donnerstag in dieser ersten Woche klingelte es an der Tür, nachdem die Kinder ins Ferienlager aufgebrochen waren. Auf der Vordertreppe stand Josh. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Mein Herz machte einen Satz, als ich ihn sah. »Ich habe noch ein bisschen Musik mitgebracht, die wir uns anhören können«, sagte er. »Kann ich reinkommen?«
    Ich nickte und trat zur Seite. Er steuerte sofort aufs Wohnzimmer zu, als ich die Tür weiter aufmachte. Über seiner Schulter hing ein schwarzer Rucksack. Als ich ihn eingeholt hatte, beugte er sich bereits über den geöffneten Rucksack. Mir gefiel der Gedanke, dass er diese CDs für mich mitgebracht hatte. Vielleicht hatte er in den vergangenen Tagen ja an mich gedacht. Ich jedenfalls hatte sehr oft an ihn denken müssen.
    Ich setzte mich auf den Boden. Der Rucksack stand zwischen uns. Josh holte eine CD heraus und zeigte sie mir, bevor er die Hülle öffnete und die Scheibe in den CD-Player legte. »Aerosmith«, sagte er, als Musik im Raum pulsierte.
    Ich lächelte bei dem Gedanken an eine andere CD, die Rachel mir vorgespielt hatte. »Mir gefällt das Lied ›Dream On‹.«
    Josh ließ die Hülle fallen und sie landete mit einem leisen Klappern auf dem Boden. Als er sie wieder aufhob, lächelte er mich ebenso überrascht wie beeindruckt an. »Du hast deine Hausaufgaben gemacht.« Ich nickte und spürte ein Kribbeln in meinem Brustkorb. »Was hast du dir sonst noch angehört?«
    »Die Beatles haben mir wirklich gut gefallen.« Ich sah, wie Joshs Grinsen breiter wurde.
    »Oh, ja«, erwiderte er. »Ich wusste, dass dir die gefallen würden. Was noch?«
    Glücklich über Joshs Reaktion versuchte ich, mich an weitere Namen zu erinnern. »The Doors, The Clash, The Velvet Underground, Madonna, Stevie Wonder.« Josh nickte noch immer, also fuhr ich fort: »Johnny Cash, Jimi Hendrix, Janis Joplin, ein paar Jungs, die sich die Jacksons nennen. Sie sind zu fünft.«
    »Alles klar.« In Joshs Stimme lag Anerkennung, genau wie bei meiner Lehrerin, wenn ich es beim Buchstabierwettbewerb in die nächste Runde geschafft hatte. Nach jedem richtigen Wort hatte die Lehrerin mich angelächelt und mir zugenickt, und meine Kehle und meine Wangen hatten geglüht, genau wie jetzt auch.
    »Ich glaube, mein Favorit ist Mr Armstrong«, sagte ich.
    Josh hob kurz die Augenbrauen, bevor er mir bestätigend zunickte. »Louis Armstrong?«
    »Ja«, antwortete ich. »Seine Stimme ist wie Schleifpapier, aber trotzdem ganz sanft.«
    Josh zog sein bekräftigendes »Ja« in die Länge und es klang wie ein sehr langes Wort. »Das ist Jazz, Eliza.« Ich war mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht war, aber Joshs Lächeln erstreckte sich jetzt über sein ganzes Gesicht. Ich schluckte ein Gefühl hinunter, das ich nicht kannte. Es fühlte sich an wie Stolz.
    Ich wollte, dass dieses warme, glühende Gefühl für immer anhielt. »Rachel hat mir ihre Lieblings-CD vorgespielt und die gefällt mir auch. Hast du schon mal von Billy Joel gehört?«
    Das Lächeln wich aus Joshs Gesicht. »Oh nein«, grunzte er. »Nicht Billy Joel.«
    Nicht korrekt, hatte meine Lehrerin immer gesagt, wenn ich einen Buchstaben vergessen hatte. Geh wieder auf deinen Platz.
    Mein Herz pochte so heftig, dass mein Kopf ganz heiß wurde. »Was stimmt denn nicht mit Billy Joel?«, fragte ich und versuchte, so zu klingen, als spiele es keine Rolle, was er dachte.
    Josh machte ein säuerliches Gesicht, so als sei nicht genügend Zucker in seiner Limonade gewesen. »Sagen wir einfach, niemand in unserem Alter hört seine Musik.«
    »Oh, es tut mir wirklich leid, dass ich mir eine eigene Meinung erlaubt habe.« Die Wut in meiner Stimme überraschte mich selbst.
    Josh zuckte ein wenig zusammen und betrachtete mich eindringlich. »Das musst du gerade sagen. Seid ihr nicht diejenigen, die sich alle gleich anziehen?«
    Es war die uralte Frage zu den Amisch, die meine Mutter bereits ein Dutzend Mal beim Apfelkuchen an den Fremdenabenden beantwortet hatte. Ich wollte nicht darüber sprechen, dass uns unsere identische Kleidung dabei hilft, bescheiden zu bleiben und Gefühle wie

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