Draußen wartet die Welt
verstummte Valerie plötzlich und sah mich vorsichtig an. »Was ist denn?«, fragte ich.
»Ich weiß auch nicht«, antwortete Valerie. »Aber du musst mich ja für ziemlich rebellisch halten. Ein braves Mädchen wie du.«
Ich bildete mir ein, zu sehen, wie Josh über ihre Bemerkung die Augen verdrehte. »Eigentlich nicht«, erwiderte ich mit einem Lächeln. »Ich schätze, du denkst, ich sei so brav, weil ich eine Amische bin, aber wir kriegen genauso Ärger wie ihr.« Ich machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Wir können auch rebellisch sein.«
Valerie lehnte sich nach vorne. »Was für Ärger?«
»Wir gehen auf Partys und kommen spät nach Hause. Manchmal treffen wir uns mit Leuten, die unsere Eltern nicht gutheißen.« Ich machte erneut eine Pause, bevor ich hinzufügte: »Und es gibt Jugendliche mit Drogenproblemen.«
Einen Moment lang herrschte völliges Schweigen. »Ehrlich?«, fragte Valerie mit drängendem Tonfall.
»Ehrlich«, erwiderte ich und fühlte mich mit einem Mal wichtig. »Ich kenne einen Jungen, der ein Jahr im Gefängnis gesessen hat, weil er gedealt hat.« Mir wurde immer ein wenig schwermütig zumute, wenn ich an Thomas dachte. Er war eigentlich kein schlechter Junge. Er hatte sich nur mit ein paar ziemlich wilden Typen eingelassen.
Inzwischen hatten sich alle nach vorne gelehnt. Valerie platzte heraus: »Hör auf!«
Ich lächelte und reagierte genauso, wie ich es bei den Kindern gehört hatte: »Nein, du hörst auf!«
»Ehrlich gesagt«, warf Josh ein, während wir erneut in Gelächter ausbrachen, »fürchte ich, wir sollten alle aufhören, wenn wir Valerie noch pünktlich nach Hause bringen wollen.«
Ein paar Minuten später fuhren wir vor Valeries Haus vor. Sie öffnete die Autotür. »Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Eliza.« Sie wollte schon aus dem Wagen steigen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Wie wär’s mit morgen?«, fragte sie.
»Morgen?«
»Zum Shoppen. Ich brauch ein paar Sommerklamotten. Kommst du mit ins Einkaufszentrum?«
»Hat das denn sonntags geöffnet?«, fragte ich zurück.
»Warum sollte es nicht?«
»Ja«, antwortete ich, und mein Herz begann seltsam zu hüpfen. »Ich würde gerne mit dir einkaufen gehen. Sonntag ist mein freier Tag.«
»Prima! Ich hol dich um zwölf ab.«
Ich sah zu, wie Valerie und Greg zusammen zur Haustür gingen und er seinen Arm um ihre Schultern legte. Auf der Veranda zog Greg Valerie ganz fest in seine Arme und sie pressten ihre Lippen aufeinander. Ich wandte den Blick ab und stellte fest, dass Josh mich beobachtete.
»So, dann gehst du also mit Valerie zum Shoppen, ja? Bist du sicher, dass du dazu schon bereit bist?«
Ich lächelte. »Nein, ich glaube nicht.«
»Na, jedenfalls viel Glück«, erwiderte er und grinste. Er machte eine Pause, bevor er hinzufügte: »Hey, können wir das wiederholen?«
Ich dachte einen Augenblick darüber nach. Daniel und ich waren uns darüber einig gewesen, dass wir noch nicht miteinander gingen. Er war frei, sich mit anderen Mädchen zu treffen. Vielleicht war er ja sogar genau in diesem Moment mit Hannah zusammen.
»Ja, das würde ich gerne.«
»Ich auch«, sagte Josh. Er beugte sich zu mir und drückte seine Lippen für einen flüchtigen Moment auf meine. Alles passierte viel zu schnell. Als Greg die Tür öffnete und Josh sich wieder zurückzog, war ich enttäuscht, dass es schon vorbei war.
Kapitel 17
Als ich mich auf meinen Shopping-Tag mit Valerie vorbereitete, war ich beinahe so nervös wie am Abend zuvor, als ich mich fertig gemacht hatte, um mit Josh auszugehen. Erneut durchsuchte ich ausführlich meinen Kleiderschrank und hoffte inständig, dass ihr gefallen würde, was ich auswählte. Ich entschied mich für die rosa Bluse und weiße Shorts und schlüpfte in meine Sandalen. Es war ein komisches Gefühl, dass alle meine Zehen zu sehen waren und ich so aus dem Haus gehen würde.
Ich öffnete meine Handtasche und suchte nach meinem neuen Scheckheft **** . Gestern Nachmittag war Rachel mit mir zur Bank gegangen, um ein Konto für mich zu eröffnen und mir zu zeigen, wie ich meinen ersten Wochenlohn einzahlen konnte. Mit ihrer Hilfe hatte ich meinen Eltern einen Scheck ausgestellt, mit dem ich einen Teil des Geldes zurückzahlte, das ich ihnen für die Kleider schuldete. Mit dem Rest konnte ich machen, was ich wollte. Es kam mir vor wie eine riesige Summe.
**** In den USA ist es durchaus üblich, mit Schecks zu bezahlen.
Während ich an der Haustür wartete,
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