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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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Applaus den Raum erfüllte. Das Gedicht berührte mich in einer Weise, die ich nicht erwartet hatte. Ihre Lesung hatte nur ein paar Minuten gedauert, aber in dieser kurzen Zeit war ich ganz woanders gewesen – in einer Welt der harten Arbeit und der Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Ich schaute Valerie an, die etwas in ihr Notizbuch kritzelte. »Das hat mir gefallen«, sagte ich. »Es hat mich an einen anderen Ort mitgenommen.«
    Valerie lächelte. »Genau das sollte ein gutes Gedicht auch tun.«
    Während der nächsten Stunde tranken wir unseren Kaffee und lauschten Gedichten über Liebespaare, Krieg, Kinder, Enttäuschungen und tiefe Sehnsüchte. Valerie machte sich hin und wieder Notizen, aber die meiste Zeit über sah und hörte sie nur zu. Nach der letzten Lesung erhoben sich alle und klatschten, während sich die Dichter für eine letzte Verbeugung auf der Bühne versammelten und die Lehrerin sich für unser Kommen bedankte.
    »Musst du gleich nach Hause?«, fragte Valerie. »Ich könnte noch einen Kaffee vertragen.«
    Wir füllten unsere Tassen wieder auf und kehrten an unseren Tisch zurück, während einige der Gedichtzeilen noch immer durch meinen Kopf tanzten.
    »Wie hat’s dir gefallen?«, wollte Valerie wissen.
    »Ich fand es toll. Danke, dass du mich mitgenommen hast.«
    »Danke, dass du mitgekommen bist. Meine anderen Freundinnen hätten es total langweilig gefunden, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es dir gefallen würde.« Ich war mir ziemlich sicher, dass das als Kompliment gemeint war.
    Valerie klappte ihr Notizbuch zu und schaute mich an, und in ihrem Blick lag etwas sehr Sanftes, was ich vorher noch nie darin gesehen hatte. Sie räusperte sich. »Ähm, ist es okay, wenn das unter uns bleibt? Du weißt schon, dass ich Gedichte mag und so?«
    Ich lächelte. »Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«
    »Danke«, erwiderte sie und steckte das Notizbuch in ihre Tasche. Sie beugte sich nach vorn. »Also, wie läuft’s mit dir und Josh? Wie ich höre, hast du letztes Wochenende deinen zweiten Film gesehen.«
    »Wir hatten viel Spaß«, erwiderte ich, »aber von dem Film habe ich Albträume gekriegt.«
    »Und gestern Abend?«, hakte sie nach.
    »Gestern Abend musste ich babysitten, aber Josh ist vorbeigekommen, und wir haben zusammen ferngesehen.«
    »Soso«, sagte Valerie, »drei Wochenenden nacheinander.« Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass immer Valerie diejenige war, die die Fragen stellte, wenn ich mich mit ihr traf. Ich holte tief Luft und bereitete mich darauf vor, selbst eine Frage zu stellen. »Und was ist mit dir und Greg? Wie lange seid ihr schon zusammen?«
    »Ein paar Monate«, sagte Valerie. »Meine Eltern sind nicht gerade begeistert, aber sie kommen drüber weg.« Ich musste lächeln, als mir der Gedanke kam, dass Valerie und ich zumindest das gemeinsam hatten – wir trafen uns mit Jungen, die unsere Eltern nicht guthießen.
    »Er scheint mir aber sehr nett zu sein«, sagte ich.
    »Das ist er auch. Bis jetzt verstehen wir uns ziemlich gut. Und er ist auch durchaus was fürs Auge«, fügte sie grinsend hinzu. »Und bei euch? Was denkst du, wohin das mit dir und Josh noch führen wird?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wir haben viel Spaß, wenn wir zusammen sind.«
    »So fängt es meistens an«, erwiderte sie. Ihr Tonfall klang fröhlich, aber auch ein wenig geheimnisvoll.
    Ich saß an meinem Schreibtisch, während Ben und Janie im Ferienlager waren, und starrte auf einen Stapel mit unbeantworteten Briefen. Ich hatte angenommen, dass ich mich auf Post von zu Hause freuen würde, aber nun klangen die Berichte von den Partys am Freitag, die Erzählungen von den Quilt-Kreisen und der Klatsch über Sally und Peter entsetzlich seicht. Ich schrieb meinen Eltern mit jedem wöchentlichen Scheck einen Brief, in dem ich von meiner Arbeit mit Rachels Kindern erzählte. Etwa davon, dass Bens Manieren immer besser wurden und dass die ganze Familie unglaublich nett zu mir war. Kate und Annie zu schreiben, war jedoch ein wenig schwieriger. Ich wollte ihnen erklären, wie die Figuren in einem Film zu einem Teil des eigenen Lebens werden konnten oder wie sehr man den Klang einer Gitarre vermissen konnte, wenn ein Lied zu Ende war.
    Kate und Annie erwähnten für gewöhnlich auch beiläufig Daniel, aber in den vier Wochen, die ich nun schon von zu Hause fort war, hatte ich noch immer keinen Brief von ihm erhalten. Als wir uns verabschiedet hatten, hatte ich ihm versprochen, dass ich ihm schreiben

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