Draußen wartet die Welt
mir erzählt, dass sie meinen Großvater gebeten haben, sich mit meinem Namen einverstanden zu erklären. Aber sie mussten ihm mehrere Vorschläge unterbreiten, bevor er endlich zugestimmt hat. Vielleicht haben sie versucht, so nahe an Elizabeth heranzukommen, wie sie nur konnten.«
Beth lächelte. »Ein halber Name ist besser als keiner.«
Draußen schwand allmählich das Licht des Tages und hinterließ einen blauschwarzen Himmel. Beth schaltete eine Lampe an, die das Wohnzimmer in künstliches weißes Licht tauchte. Zu Hause zündete meine Mutter in diesem Moment vielleicht gerade eine Kerosinlampe an, blies hinein und erweckte die gelbe Flamme zum Leben.
Ich schaute Beth an. »Wie war das? Gemieden zu werden?«
Einen Augenblick lang schien Beth auf etwas zu starren, was gar nicht da war. Aber als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme puddingweich.
»Es ist nicht sofort passiert«, erzählte sie. »Zuerst haben meine Eltern mit dem Bischof gesprochen, und ich wurde exkommuniziert, bis sich die Ältesten über meinen Fall beraten hatten. Das Leben ging genauso weiter wie vorher, ich konnte nur nicht mehr zu den Gottesdiensten gehen. Dann kam der Bischof zu uns nach Hause und erklärte meinen Eltern, ich stehe von nun an ›unter dem Bann‹. Das war der Moment, in dem sich alles verändert hat.«
»Wie hat es sich verändert?«, fragte Josh. Aber ich wusste es bereits. Ich hatte schon Geschichten von Leuten gehört, die unter dem Bann standen.
»Ich durfte nicht mehr mit Mitgliedern der Kirche am selben Tisch sitzen, also stellten meine Eltern beim Essen einen kleinen Tisch auf, an dem ich alleine saß. Einmal servierte meine Mutter die Suppe und ich hielt ihr meine Schüssel hin. Sie sagte mir, ich müsse die Schüssel auf den Tisch stellen, damit sie sie füllen konnte. Nun, da ich gemieden wurde, war es ihr nicht mehr gestattet, einen Teller aus meiner Hand anzunehmen oder mir Essen in einen Teller zu geben, den ich in der Hand hielt.«
Josh schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich hart«, warf er ein. Ich hörte nur schweigend zu.
»Ja«, stimmte Beth zu. »Aber ich war bereits getauft, deshalb hatte ich mein Versprechen gebrochen, die Regeln der Kirche zu befolgen. Wenn ich um Vergebung gebeten hätte, wäre der Bann aufgehoben worden, und man hätte mich wieder aufgenommen. Du siehst also, dass es in gewisser Weise meine eigene Entscheidung war.«
»Wie lange bist du nach dem Bann noch zu Hause geblieben?«, wollte ich wissen.
»Nur noch ein paar Wochen«, antwortete Beth. »Miriam und Ike wollten mich nicht mehr sehen. Kein allzu großer Verlust, aber damals hat es wehgetan. Dann, eines Tages, habe ich meine beste Freundin Emily besucht. Ihre Mutter hat die Tür aufgemacht und mir gesagt, es tue ihr leid, aber ich könne nicht hereinkommen. Ich trat von der Veranda, schaute zu Emilys Fenster hinauf und sah, dass sie zu mir herunterschaute. Ich konnte sehen, dass sie weinte.«
Beth schob geschäftig wahllose Gegenstände auf dem Couchtisch hin und her – eine Glasschale mit weißen Steinen, ein Buch über Schriftstellerinnen, eine Kerze. Ich wartete darauf, dass sie fortfuhr.
»Da wurde mir bewusst, dass ich meine Familie und meine Freunde einem Risiko aussetzte, wenn ich noch länger bei ihnen blieb, obwohl ich gemieden wurde. Sie konnten exkommuniziert werden, wenn sie nicht sämtliche Vorschriften der Meidung befolgten. Mir wurde klar, dass ich nicht Teil beider Welten sein konnte.«
»Und was hast du dann gemacht?«, fragte ich.
»Ich habe meine Sachen gepackt und John hat mich abgeholt und mit zu seinen Eltern genommen. Er ist hereingekommen, um meine Mutter und meinen Vater zu begrüßen, aber sie haben sich geweigert, mit ihm zu sprechen. Auf dem Weg zur Tür hat er sich noch einmal umgedreht und gesagt: ›Es tut mir leid, dass Sie nicht die Möglichkeit hatten, mich kennenzulernen. Ich glaube, Sie hätten mich gemocht.‹« Beth lächelte. »Versteht ihr jetzt, warum ich ihn liebe?«
Josh grinste. »Er klingt ziemlich cool.«
Beth nickte. »Und dann hat er gesagt: ›Sie müssen sich niemals Sorgen um Elizabeth machen. Ich werde sie immer lieben.‹« Beth lächelte noch immer, aber ihre Augen wirkten traurig.
»Was haben Grandma und Grandpa zu dir gesagt?«
»Mein Vater hat gar nichts gesagt. Meine Mutter nur fünf Worte: ›Bist du dir sicher, Elizabeth?‹ Als ich Ja gesagt habe, hat sie nur den Kopf gesenkt und auf den Boden gestarrt, und dann bin ich gegangen. Bevor John
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