Draußen wartet die Welt
den Wochenenden habe ich mich betrunken und bin die ganze Nacht weggeblieben.«
Josh stieß einen Pfiff aus. »Ihr Amisch. Wer hätte das gedacht?«
Beth lachte. »Miriam und deine Mom waren damals schon beide verheiratet und hatten Kinder. Ich habe auch viel Zeit mit deiner Mutter verbracht und ihr mit Margaret und James geholfen.« Sie machte eine Pause und streckte ihre Hand über den Tisch, um meine zu nehmen. »Oh, Eliza. Du musst mir unbedingt von euch allen erzählen. Du hast doch noch mehr Geschwister, oder?«
»Ja«, antwortete ich. »Noch eins. Meine Schwester Ruthie ist elf. James und mein Vater arbeiten zusammen in der Schreinerei. Margaret hat letztes Jahr geheiratet. Sie und Jacob haben etwa eine Meile von uns entfernt eine Farm.« Beth presste sich eine Serviette auf die Augen. »Geht’s dir gut?«, fragte ich.
Sie nickte. »Nach all den Jahren fällt es mir immer noch schwer, zu glauben, dass meine Schwester Kinder hat, die ich nicht kenne.«
»Wie lange ist das denn her?«, wollte Josh wissen.
»Becky war mit ihr schwanger, als ich wegging«, antwortete sie und nickte in meine Richtung. »Sie hat mir gesagt, dass sie dieses Kind nach mir benennen würde. Aber dann wurde alles ein wenig komplizierter.«
Beth erhob sich und begann, den Tisch abzuräumen. Die Geschichte wurde unterbrochen, während wir gemeinsam die Küche aufräumten. Später, als wir im Wohnzimmer saßen und die Spülmaschine in der Küche brummte, erzählte uns Beth, wie sie eine Stelle in der Bibliothek bekommen hatte, wo sie viel über andere Welten las und über ihre verschiedenen Möglichkeiten nachdachte. Aber letzten Endes willigte sie doch ein, sich taufen zu lassen und der Kirche das Versprechen zu geben.
»Dann, eines Tages«, fuhr sie fort, »als ich gerade bei der Arbeit am Ausleihschalter saß, sah ich einen Mann, der sich über seine Bücher beugte. Er hatte etwas Zerzaustes an sich, was mir ziemlich gut gefiel. Als ich zuschließen musste, war er immer noch da, und irgendwie kam es dazu, dass wir uns auf einen Kaffee verabredet haben. So hat alles angefangen.«
»Du hast dich in einen Englischen verliebt?«, fragte ich.
»Ja, das habe ich.«
Stille legte sich über den Raum. Ich hatte darauf gewartet, genau diese Worte zu hören, aber trotzdem hörten sie sich seltsam an. Die Liebe zwischen einem amischen Mädchen und einem englischen Jungen war der Stoff, aus dem die geflüsterten Geschichten gemacht waren, die man sich heimlich nach dem Gottesdienst und hinter Scheunen erzählte. Aber für gewöhnlich waren es Geschichten von Menschen, die man nicht kannte.
»John konnte schon bald meinen Arbeitsplan auswendig und wartete auf mich, wenn meine Schicht zu Ende war. Er war im letzten Jahr an der Hochschule und arbeitete an seiner Doktorarbeit in Geschichte. Er wollte alles über das Leben der Plain People erfahren. Und ich wollte alles über ihn erfahren – und über diese Welt, die für mich verboten war.«
»Hast du deinen Eltern von ihm erzählt?«, fragte ich.
»Letztendlich, ja. Sie haben furchtbar gebrüllt. Aber das war längst nicht so schlimm wie ihr Schweigen. Ihr Schweigen sagte mir, dass es keine Worte gab, die alles wieder in Ordnung bringen konnten. Und dass ich mich würde entscheiden müssen.«
»War das schwer?«
»Es war das Schwerste, was ich jemals tun musste. Zuerst habe ich John gesagt, dass ich ihn nicht mehr würde treffen können. Aber kein amischer Junge hat auch nur annähernd die Gefühle in mir ausgelöst, die er ausgelöst hat. Schließlich wurde mir klar, dass ich das Leben wollte, das ich mit John würde leben können, auch wenn es bedeutete, dass ich mein anderes Leben dafür aufgeben musste.«
»Und wie hast du das gemacht?«, fragte ich.
»Ich bin zu der einzigen Person gegangen, von der ich dachte, dass sie es verstehen würde. Zu deiner Mutter.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie sagte, dass ich dann nicht mehr ihre Schwester wäre.«
Eine Träne rann meine Wange hinunter und tropfte auf mein rosa T-Shirt.
»Und dann sagte sie, dass sie ihr Kind nicht nach jemandem benennen könne, der keine Amische sei.«
»Es tut mir leid«, flüsterte ich. Josh legte seinen Arm um mich und ich legte meinen Kopf an seine Schulter. Dann erinnerte ich mich an eines der ersten Dinge, die Beth zu mir gesagt hatte, als wir uns begegnet waren. Dann hat sie dich also doch nach mir benannt.
»Jetzt verstehe ich das erst«, sagte ich plötzlich und setzte mich auf. »Meine Mutter hat
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