Draußen wartet die Welt
Elizabeth die Entscheidung getroffen hat, uns zu verlassen. Wir haben sie nicht fortgeschickt.‹«
»War das alles?«, fragte Beth. Sie klang enttäuscht.
»Nein, nicht ganz«, erwiderte meine Mutter. Sie sprach die folgenden Worte sehr langsam, so als koste es sie große Mühe, sie überhaupt über die Lippen zu bringen. »Er hat gesagt, dass niemand je wieder deinen Namen erwähnen dürfte. Dass wir nie wieder von dir sprechen dürften.«
Beth nickte. »Eigentlich überrascht mich das nicht besonders.«
Meine Mutter legte eine Hand auf Beths Arm. »Seit jenem Tag habe ich so vieles bereut, Beth. Als du gekommen bist, um dich von mir zu verabschieden, warum habe ich dich da nicht angefleht, zu bleiben?«
»Weil du das nicht konntest«, antwortete Beth. »Du hast nur die Regeln befolgt.«
»Ich habe die Regeln nicht immer befolgt«, erwiderte meine Mutter. Sie drehte sich zu mir um. Ich nickte und senkte meinen Blick, überrascht, dass sie scheinbar um meine Erlaubnis bat, fortzufahren.
»Was ist hier los?«, fragte Beth.
»Ich muss dir etwas sagen«, gestand meine Mutter. »Eliza kennt bereits einen Teil der Geschichte. Aber es war nicht richtig von mir, die Sache so lange geheim zu halten. Sie erklärt vielleicht ein paar Dinge über mich.«
»Was meinst du damit, Becky?«
»Nun«, begann sie, »wie du ja weißt, bin ich vorzeitig von meinem Rumspringa zurück nach Hause gekommen. Aber das lag nicht daran, dass Dad unsere Schulden beglichen hatte.«
»Oh«, sagte Beth. »Ich habe mich immer gefragt, ob damals vielleicht irgendetwas passiert ist.«
»Es ist etwas passiert.« Meine Mutter schloss einen Moment lang die Augen, so als wolle sie alles noch einmal vor ihrem inneren Auge ablaufen lassen, bevor sie weitersprach. Ich schlang die Arme um meine Knie.
»Ich fand es wunderbar hier. Eine Zeit lang habe ich wirklich geglaubt, dies sei eine Welt, in der ich leben könnte.«
»Aber was ist denn passiert?«, wollte Beth wissen. »Warum bist du so überstürzt wieder nach Hause gekommen?«
»Ich habe einen Jungen kennengelernt. Sein Name war Matthew, und natürlich glaubte ich, ich würde ihn lieben. Er war an Politik interessiert und wir haben zusammen Zeitung gelesen und über aktuelle Ereignisse gesprochen. Im Herbst sollte er wegziehen, um aufs College zu gehen. Wir haben Pläne gemacht, dass ich ihn dort besuchen würde, und ich habe wirklich geglaubt, ich könnte das einfach so tun.«
Meine Mutter erzählte die Geschichte mit nüchterner Stimme. Sie zitterte weder vor Emotionen noch schweifte sie verträumt ab. »Wir sprachen darüber, dass wir vielleicht zusammenbleiben wollen«, fuhr sie fort. »Aber es schien unmöglich. Er hatte vier Jahre College vor sich, und ich sollte wieder nach Hause zurück, sobald die Schulden beglichen waren. Also habe ich beschlossen, mich nicht taufen zu lassen, sondern bei ihm zu bleiben.«
Im Zimmer wurde es vollkommen still. Ich war mir sicher, dass ich jedes unserer Herzen schlagen hören konnte. Schließlich durchbrach Beth das Schweigen. »Was ist passiert, Becky?«
Meine Mutter sah zuerst Beth an, dann mich. »Ich wurde schwanger.«
Ich schloss die Augen, und in mir stieg wieder dasselbe Gefühl der Übelkeit und des Schwindels auf, das ich bereits beim Lesen des Tagebuchs gespürt hatte. Beth schnappte nach Luft. »Oh, Becky.«
»Ich weiß. Ich schien immer eines dieser besonders guten Mädchen zu sein, aber das war ich wirklich nicht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mom. Hier geht’s nicht um gut oder schlecht. Hier geht es um einen Fehler.«
Meine Mutter drehte sich zu mir um. Als sie sprach, wählte sie ihre Worte sehr ernsthaft und mit Bedacht. Aber sie klangen auch freundlich. »Eliza, es gibt etwas, was du wissen musst, bevor ich weiterspreche.« Ich wartete. »Was ich mit diesem Jungen getan habe, war ein Fehler. Aber du darfst niemals denken, dass Margaret ein Fehler war.«
In meinem Kopf drehte sich alles. Die ganze Woche über hatte ich über das Tagebuch meiner Mutter nachgedacht und darauf gewartet, meine Befürchtungen bestätigt zu sehen, aber meine Gedanken hatten nie bis zu Margaret gereicht. Diesen Schritt war ich nie gegangen. Nun wusste ich, dass meine große Schwester, die gute Amische, die auf ihr Rumspringa verzichtet hatte, der Vereinigung eines englischen Jungen mit einem rebellischen amischen Mädchen entstammte, das vorgehabt hatte, die Gemeinde zu verlassen. Es schien mir völlig unmöglich.
»Ich hatte diese
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