Draussen
mitzuverfolgen, glaubte ich mich zu erinnern. Wie lang war das her, dass ich meinen schweißglänzenden Leib im lustvollen Wechselspiel der Glieder mit einem anderen vereinigt hatte? Lieber nicht nachrechnen, sondern an die Arbeit.
Rüblitorte hatte mehrere Fragezeichen und »Hallo« s geschickt, was ich einfach ignorierte. Ich wollte einen Gesprächspartner, der mich von Anfang an entzückte.
Hier, Käpt’n Ahab, der klang gut. Wenn er vielleicht auch ein Holzbein hatte. 34 Jahre alt, Hamburger, sein Lebensmotto »Interessante Selbstgespräche setzen einen intelligenten Partner voraus« gefiel mir. Außerdem hasste er »Parteien mit drei oder mehr Buchstaben« und wollte Papst werden, um »alles besser zu machen als die bisherigen Päpste«.
Ich glaube, ich muss langsam mal ins Bett, sorry. Ich sah auf die Uhr und erschrak. Halb vier? Das konnte doch nicht sein! Ich saß jetzt seit gestern Abend um acht vor dem Rechner und hatte beim Chatten mit Käpt’n Ahab, der eigentlich Mathis hieß, ganz und gar die Zeit vergessen. Wir hatten uns erzählt, wen wir in der Lindenstraße nett und wen doof fanden, warum wir gerne mit dem Zug fuhren und welche Lösungen wir für die großen Probleme der Menschheit parat hätten, wenn uns nur jemand fragen würde. Mathis war witzig, schlagfertig und gefühlvoll, und ich hatte schnell das Gefühl, dass wir uns schon eine ganze Weile kannten. Aber ich musste auch schlafen. Schließlich musste ich in viereinhalb Stunden wieder aufstehen. Puh, schon so spät. Hab ich gar nicht gemerkt … tippte ich schnell. Ich auch nicht. War nett mit Dir. Schlaf gut und bis zum nächsten Mal. Nett? Der fand das nur nett? Das war der beste Chat, den ich je hatte! Wäre die Unterhaltung mit diesem Mann eine Stadt, ich würde sofort meine Sachen packen und dort hinziehen! Ich war tatsächlich sehr müde, das musste auch der Grund gewesen sein, weshalb mir der grobe Anfängerfehler passierte: Ich fand’s total schön, mit dir zu chatten! Wann bist du wieder online? Wollen wir heim nächsten Mal auch telefonieren? Aaaah! Nachdem ich auf »Senden« geklickt hatte, dachte ich an das Frauen-Mantra. Es hieß »Desinteresse heucheln«. Einem Mann frühestens vor dem Traualtar zeigen, dass man ihn mochte! Davor immer so tun, als hätte man keine Zeit und zwanzig andere Männer, die sich die Finger nach einem leckten. Auf keinen Fall so Texte wie: »Ich fand’s total schön«! Allein »total schön«! Wie konnte das nur passieren? Und diese Fragerei, wann er wieder online war! Und das mit dem Telefonieren! Ein Mann war sofort unter extremem Druck, wenn man ihm nicht vermittelte, dass es einem scheißegal war, ob man sich mit ihm oder einem alten Eimer die Nacht um die Ohren schlug, ja, dass einem der alte Eimer sogar lieber war. Ich wusste nicht, warum mir ausgerechnet diese Eimer-Metapher in den Sinn kam, und ich hatte auch keinen Therapeuten, den ich das hätte fragen können, aber ich war wirklich genervt von meinem spontanen Gefühlsausbruch und verachtete »LiveLove«, weil dort die Funktion fehlte, dass man vor dem Abschicken von Nachrichten nochmal gefragt wurde: »Möchten Sie diese Nachricht wirklich senden?« oder besser noch: »Äh, sorry, wie war nochmal das Mantra? Was Sie da geschrieben haben, ist das Gegenteil von Desinteresse. Das wollen Sie doch nicht wirklich senden?!« Was für eine mangelhafte Dienstleistung. Wäre »LiveLove« nicht kostenlos für Frauen, ich hätte mein Geld zurückverlangt. Mathis antwortete noch knapp: »Bin unregelmäßig hier. Bis dann, M.«, und ward ausgeloggt. Ich fragte mich, ob es sowas gab wie »Comedy-Contortion«, also Verbiegungskünstler, die sich vor Publikum selbst in den Arsch bissen. Wenn nein, dann würde ich diese Marktlücke gern füllen. Und jetzt schonmal anfangen zu üben.
Kapitel 14 Schwanzvergleich
»Ja, ich war beim Friseur. DU siehst das wenigstens. Glaubst du, Toni hat das bemerkt? Ist mir aber inzwischen auch echt egal. Und dass sie nie zurückruft, wenn ich ihr auf die Mailbox spreche, ist mir eh wurscht. Wenn der Weg in eine glückliche Beziehung bei ihr nur durch das Tal der Missachtung und der Scheißegalhaltung führt – bitte. Kann sie haben.« Micha schnäuzte sich. Sein Redefluss wurde ab und zu von seinem heiseren Schluchzen unterbrochen. Ich setzte mich zu ihm auf mein Sofa und nahm ihn in den Arm. »Mann, Mann, Mann, Micha. Dich hat’s ja echt ordentlich erwischt. Warum gerätst du nur immer an solche Mannsweiber?« –
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