Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
hatte meinen Hikdar, verehrte Dame«, sagte ich und hielt den Dolch hoch.
Sie lachte leise und hustete. »Und ich meinen kleinen Deldar.«
Ich hob den Blick – und es stimmte, ihr Dolch war ein Terchick.
Ein Schrei der Überraschung ließ uns aufblicken. Delia aus den Blauen Bergen schritt über den kleinen Hang auf uns zu. In den roten Lendenschurz gekleidet, das weiße Fell locker um die Schultern gelegt, der im Rhythmus ihres schlanken Körpers schwang, die wohlgeformten Beine ergötzlich anzuschaun im Sonnenschein, so rang sie den Männern einen Ausruf des Staunens und der Bewunderung ab. Ich hielt den Atem an. Sie sah herrlich aus.
Nachdem wir uns alle vorgestellt hatten, kehrten wir zusammen mit den Ewards in die Stadt zurück. Die Karawane hatte Großtante Shusha von ihrer jährlichen Pilgerfahrt zu den heißen Quellen von Benga Deste zurückgeholt. Benga, das muß ich erwähnen, ist das kregische Wort für ›Heiliger‹ oder ›Sankt‹. Beng ist die männliche, Benga die weibliche Form.
Ich kann mir den Grund nicht erklären, doch als ich meinen neuen Bekannten die übliche Frage stellte, erfüllte mich eine seltsame Erwartung. Großtante Shusha verzog nachdenklich das Gesicht.
»Aphrasöe? Die Stadt der Savanti? Ich glaube, ich habe tatsächlich schon einmal von einer Stadt dieses Namens gehört, aber das ist so lange her, so lange her, und mein armer Kopf erinnert sich nicht.«
17
Nun erfuhr mein Leben eine große Wende.
Wenn mir in meinem früheren Leben das Gefühl der Kameradschaft gefehlt hatte – wobei ich dieses seltsame Gut endlich bei Hap Loder und seinesgleichen zwischen den Zelten und Wagen der Klansleute fand, während ich Maspero und seinen Artgenossen aus Aphrasöe, die für mich gottgleiche Wesen waren, stets mit Ehrfurcht begegnete –, so fand ich diese Kameradschaft nun ebenfalls bei Prinz Varden und seinen Trinkkumpanen im Hause Eward in der Stadt Zenicce. Und seltsamerweise entwickelte sich auch ein sehr inniges und angenehmes Gefühl der Freundschaft zu der alten Großtante Shusha. Ich hoffte, daß sie sich eines Tages an ihr Wissen über Aphrasöe erinnern würde, doch nicht das brachte mich dazu, sie zu respektieren und zu bewundern. Ich muß zugeben, daß ich einen Narren an ihr gefressen hatte, wenn mir diese unziemliche Ausdrucksweise gestattet ist.
Da Flugboote in Segesthes selten und teuer sind, schickte Wanek eine Gruppe los, die das Fluggerät reparieren und zurückholen sollte, mit dem Delia und ich geflohen waren – als weitere Trophäe von den verhaßten Esztercari. Delia sagte, sie kenne sich mit Flugbooten aus, und fügte hinzu, sie würden in ihrem Lande nicht hergestellt. Damit fiel Havilfar als ihre Heimat aus, denn dort wurde der Grundstoff gefördert, dem die Flugboote ihre Flugeigenschaften verdankten.
Schwungvoll unterstützte ich die Pläne des Hauses Eward, dem Treiben der Esztercari in der Stadt einen Riegel vorzuschieben. In das Blau der Ewards gekleidet, scherzte ich mit den anderen jungen Kriegern des Hauses herum, und wir streiften oft durch die Arkaden, suchten die Tavernen auf und genossen die vielfältigen Zerstreuungen im Hafenviertel von Zenicce. Ich besuchte das eindrucksvolle Gebäude der Großen Versammlung und verfolgte die endlosen Debatten, während denen Männer und Frauen den Saal verließen und betraten und die Sitze ihrer Häuser einnahmen oder an andere übergaben. Wir stürzten uns sogar in einige fröhliche Streitereien, bei denen Umhänge wirbelten und Rapiere klirrten und viel gelacht wurde, bis die rotgrünen Uniformen der Stadthüter uns auseinanderstieben ließen.
Im Schutz der Kanäle und der lückenlosen Mauern unserer Enklave waren wir natürlich absolut sicher. Um in die Enklave eines Hauses einzubrechen, mußte man schon eine Armee aufbieten, und obwohl es dann und wann Überfälle gab – bei denen es oft um ein Mädchen ging, wie ich mit einem grimmigen Lachen zur Kenntnis nahm, das Prinz Varden überraschte –, fühlte sich doch kein Haus stark genug, um ein anderes unmittelbar und in aller Form herauszufordern. Die Esztercaris hatten durch Betrug, Mord, Bestechung und schließlich durch nackte Gewalt eine andere Familie aus der Enklave und weiteren Besitztümern vertrieben – das war vor etwa hundertfünfzig Jahren geschehen. Großtante Shushas bitterer Haß auf das Smaragdgrün wurde mir erklärlich, als ich erfuhr, daß sie eine Strombor gewesen war, ein Abkomme jenes vertriebenen Hauses und frisch
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