Dray Prescot 02-Die Sonnen von Scorpio
Sklavenbezirks, das ich vom Palast des Smaragdenen Auges mit einem Sectrix mühelos erreichen konnte. Ich versteckte dort Waffen, Kleidung und Geld. Ich verließ den Palast ohne Chulikwächter, die ich durch ein Täuschungsmanöver los wurde, zog mein graues Lendentuch an und stahl mich in das Gewirr aus Gassen und Innenhöfen. Vor Anbruch der Morgendämmerung war ich zurück.
Den sechsten Tag vermochte ich fast vollständig bei den Sklaven und Arbeitern zu verbringen, da Glycas und Shusheeng mit irgendwelchen Riten beschäftigt waren. Besonders zu dieser Zeit, da der Tag des Großen Todes herannahte, ließen sich die Magdager in ihrem religiösen Leben nichts zuschulden kommen.
Das Problem mit dem Fristle Follon löste sich auf eine seltsame Weise, die sich als mein Vorteil herausstellte.
Zu behaupten, alle Fristles sähen gleich aus, wäre unrichtig. Ich vermochte einzelne Wesen zu erkennen, wenn das nötig war. Als eines Abends die letzte der Sonnen vom Himmel verschwand und die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln hell über den Wolken stand, ritt ich zum Fluß hinab und band meinen Sectrix an einem Baum fest. Hinter mir erstreckten sich die Slums am Ufer. In Sekundenschnelle hatte ich meine vallianische Ausrüstung verstaut und den grauen Lendenschurz angezogen. In meinem Gürtel, der einen Knüppel enthielt, steckte außerdem ein scharfes, leicht gebogenes Messer in einer Scheide. Mich den ersten Häuserreihen nähernd, hörte ich einen Schrei – gedämpft, doch ganz in der Nähe.
Im nächsten Augenblick taumelten zwei Fristles kämpfend aus dem Dunkel ins Mondlicht. Offenbar versuchte ein männlicher Fristle ein Weibchen zu vergewaltigen. Sie konnte nicht mehr schreien, weil ihr der Mann einen Arm um den Hals gelegt hatte.
Dann erkannte ich, daß der Mann Follon war.
Ich sprang hinzu, packte ihn am Hals und stemmte ihm ein Knie in den Rücken. Follon versuchte zu schreien, und meine Finger verkrampften sich um seinen Hals. Er konnte seinen Krummsäbel nicht ziehen, denn im nächsten Augenblick warf ich mich über ihn, und wir rollten zu Boden.
Das Fristlemädchen blieb leblos liegen und wimmerte. Sie war nackt. Ihr mit kurzem Fell bedeckter Körper schimmerte im rosa Mondlicht. Ein anderer Fristle, eine ältere Frau, kniete neben ihr nieder, hielt ihr den Kopf und begann ihr in der Fristle-Sprache schluchzend zuzureden. »Er hätte meine Sheemiff mißbraucht«, schluchzte sie. »Und sie getötet!«
Follon bäumte sich unter mir auf, doch ich hielt ihn fest und lehnte mich zurück – und dann, Zair ist mein Zeuge, geschah etwas, das durch seine Bewegung oder meinen Griff oder mein Unterbewußtsein bewirkt wurde – ich weiß es nicht. Jedenfalls brach plötzlich knackend sein Rückgrat.
Mir war ein tausendjähriges Leben geschenkt worden – und jetzt sah ich einen langen, dunklen und sehr schmalen Tunnel vor mir liegen – den Weg eines Lebens, in dem es mein Schicksal zu sein schien, nicht nur mit den Konsequenzen meines eigenen Handelns, sondern auch mit dem Widerhall der Wesenszüge anderer Völker und Individuen fertig werden zu müssen. Es lag in der Natur jenes Skorpions, mich umbringen zu wollen; es war meine Natur, mich zu verteidigen. Aber was war natürlich an der versuchten Tat dieses Fristle? Und war es natürlich, daß ich ihn daran hinderte? In jenem Augenblick, als ich Follons Gestalt zu Boden sinken ließ, begann ich wohl zum erstenmal das düstere Geschick zu spüren, das mich bedrohte. Ich war verdammt. O ja, jeder ist verdammt, auf jeden wartet der Tod. Doch in jenem Augenblick wurde ich mir der Drohung eines Unheils bewußt, das außerhalb von Zeit und Raum lag, und mit jedem Schritt und jeder Entscheidung mußte ich meine Vernichtung nur um so sicherer heraufbeschwören.
In jenem Augenblick verfluchte ich die Herren der Sterne – und haßte sie und alle ihre Pläne.
Als ich den toten Fristle in den Fluß werfen wollte, eilte die alte Fristlefrau herbei. Ich hielt sie davon ab, die Leiche zu verstümmeln, was sie am liebsten getan hätte, konnte aber nicht verhindern, daß sie die Kleidung und das Geld und den Krummsäbel an sich nahm.
»Die Sachen gehören mir«, sagte sie und sah mich an. »Und meine Sheemiff gehört dir, wenn du sie willst, denn du bist ein großer Jikai!«
Ich erschauderte. Jikai! Wie oft war dieses große Wort hier im Auge der Welt schon mißbraucht worden! Mit hastigen Worten verabschiedete ich mich und verschwand. Um ehrlich zu sein, erregte mich
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