Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
dünne Stimme begann fröhlich das Lied von den »Bogenschützen aus Loh« zu singen, und ich kehrte in die Gegenwart zurück. Pando hatte das Lied angestimmt, das mich sofort an Seg Segutorio denken ließ.
Obolya, ein ungewöhnlich großer und stämmiger Mann, der überall am Körper mit schwarzem Haar bedeckt war, versetzte Pando eine Kopfnuß. »Quake woanders, du elende Kröte! Kleiner Rast! Dein Gekreische geht mir auf die Nerven!«
Obolya war ein Wächter, der durch seinen Beruf zum seelischen Krüppel geworden war – Gefühle kannte er nicht. Er besaß einen Preysany, eine Art besseren Calsany, ein Reittier, das von Leuten benutzt wurde, deren Mittel nicht zum Erwerb eines Zorca ausreichten. Er hielt sich für unentbehrlich bei der Karawane, und Naghan behandelte ihn nicht ohne Respekt.
Obolya, dessen Name darauf hinwies, daß er der Erstgeborene seiner Eltern war, hatte mir eine Handbreit Körpergröße voraus. Die anderen Karawanenwächter drängten herbei, um dem Spaß mit dem Jungen zuzusehen. Die Karawanenarbeit war langweilig, so daß jede Abwechslung begrüßt wurde. Und Obolya war bekannt; solange sich ihm nicht jeder neue Wächter unterworfen hatte, war er ständig auf eine Auseinandersetzung aus, die der arme Naghan nicht verhindern konnte – zu sehr schätzte er Obolyas Kampfkraft für die Karawane als ganzes.
Pando wich der instinktiven Reaktion des nächsten Calsany aus und eilte zu mir.
»Ruh dich einen Augenblick aus, Pando«, sagte ich, »während ich mit diesem schlaffen Armipand rede.«
Armipand war einer der Teufel, an die viele Pandahemer glaubten.
»Cramph!« brüllte Obolya. »Du hast ein Maul, das größer ist als das Cyphrische Meer! Ich muß es füllen – mit meinen Fäusten!«
»Pandrite möge dir beistehen, Dray Prescot!« sagte Pando ehrfürchtig. Er kannte mich jetzt lange genug, um zu wissen, daß ich eine Beleidigung nicht auf mir sitzen ließ; doch zugleich kannte er mich nur als schwachen und kranken Mann, der sich glücklich schätzen konnte, von Aufseher Nagan eingestellt worden zu sein, weil sich Tilda mit den vielen Schleiern für ihn eingesetzt hatte. Pando hielt den Atem an, und seine Augen wurden groß und rund.
»Krieche doch in den Bauch des Calsany zurück, wohin du gehörst!« sagte ich zu Obolya.
Daraufhin begann er zu stottern. Die schwarzen Borsten auf seinen Wangen und an seinem Kinn zitterten. Er deutete auf mich, legte den Kopf in den Nacken und brüllte seine Verachtung hinaus.
»Du cramphgezeugter Rast! Du, der du den Ausschuß eines Schmieds auf dem Rücken trägst!«
Damit meinte er mein Krozair-Langschwert. In dieser Gegend, wo man Rapiere und Dolche vorzog, trug ich das Langschwert auf dem Rücken – natürlich in der Scheide, die mir Sosie gemacht hatte, und mitsamt dem Köcher, den ich schon beschrieben habe. Die Waffe war in mancher Hinsicht fehl am Platze. Die Wächter trugen kurze Stoßspeere mit breiten Klingen für den Kampf auf größere Entfernung, bis die Rapiere ins Spiel gebracht werden konnten. Dazu kam es aber erst, wenn die Bögen ihren ersten Tribut gefordert hatten – und Naghan hatte mich in erster Linie als Bogenschützen eingestellt.
Er hatte zu mir gesagt: »Du trägst deinen gespannten Bogen in der Hand, den Pfeil auf der Sehne, Dray Prescot. So bewachst du meine Karawane. Dafür bezahle ich dich.«
Nun ließ sich Obolya über meine seltsame Waffe aus. Wie lange er sich mit diesen Beleidigungen aufhalten wollte, ehe er zur Tat schritt, wußte ich nicht. Ich war fast wieder voll bei Kräften; die frische Luft und das Sonnenlicht und die langen Märsche hatten meine Erholung gefördert. Doch wie immer versuchte ich einem überflüssigen Kampf und einer gefährlichen Feindschaft aus dem Weg zu gehen – so wenig mir sinnloses Autoritätsgebaren gefällt. Stolz und Hitzköpfigkeit sind eben üblich bei Typen, die nicht nachdenken; mein Kummer ist es, daß ich immer zuerst nachdenke – und dann oft genug trotzdem durchdrehe.
Obolya trug einen bronzenen Brustpanzer von ziemlich guter Qualität; doch darunter hatte er nur eine Ledertunika angelegt. Arme und Beine waren ebenfalls durch Leder geschützt, und auf dem Kopf trug er eine Lederkappe, die mit Eisen verstärkt war. Für einen Söldner war er nicht schlecht gepanzert; meine Klansleute hätten über seine Aufmachung natürlich nur gelacht, ebenso wie die schwer gepanzerten Kämpfer des Binnenmeeres. Ich trug nur meinen roten Lendenschurz. Mein Schlafzeug lag bei
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