Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
lief an der Reihe der Calsanys entlang nach vorn, doch als ich den ersten Wagen erreichte, war das Problem bereits gelöst. Der Zhantil war von den breiten Speeren der Vorauswächter bereits getötet worden. Das tote Tier war mittelgroß und etwa so lang wie ein Leem. Das Fell wies herrliche braunrote Tigerstreifen auf; aus der dichten goldenen Mähne sickerte Blut und beschmutzte die strahlende Schönheit des Fells. Mir tat es um das Tier leid, und ich wußte, daß viele Angehörige der Karawane ähnlich dachten. Wenn wir uns auch der Zhantils erwehren mußten, sobald sie uns angriffen, empfanden wir doch nicht den Abscheu vor ihnen wie etwa vor den Leems.
Schweratmend näherte sich Naghan der Bauch und begann die Wächter auszuschimpfen.
»Dummköpfe! Idioten! Seht euch das herrliche Fell an! Aie – das hätte uns viele Dhems bringen können, wenn ihr es nicht so durchlöchert hättet!«
Ein Bogenschütze, Encar der Dunkle genannt, fluchte und rief: »Wir haben das Biest getötet, Naghan, weil es uns töten wollte!«
»Naja«, sagte Naghan und wischte sich über Stirn und den Hals. »Ihr hättet ein wenig geschickter sein und den Pelz schonen können.«
Pando und ich sahen uns an, und der Junge begann laut zu lachen. Einige Wächter fielen in unser Gelächter ein.
»Naghan«, sagte ich, »gibst du uns ein Stück von dem Fell, damit sich Pando eine schöne neue Tunika machen kann? Denk daran, er ist der Sohn Tildas der Schönen.«
»Eine Tunika für Pando? Aus Zhantilfell? Ho, ho – ich glaube, das würde Tilda mit den vielen Schleiern gefallen. Aie! Sie würde eine ganze Amphore mit bestem Jholaix-Wein für ein solches Kleidungsstück spendieren!«
Jholaix, das wußte ich, lag im äußersten Nordosten Pandahems; der Inselkontinent war in mehrere pandahemische Nationen zerspalten. Wein aus Jholaix war selten, teuer, sehr stark und angenehm auf der Zunge.
»Du alter Gauner!« sagte ich zu Naghan.
Doch der Aufseher stieg auf seinen Zorca, rülpste und blinzelte mir zu, woraufhin ich nickte und sagte: »Einverstanden.«
Pando und ich enthäuteten den Zhantil, soweit es nötig war. Wir hatten schließlich genug, um dem Jungen eine Tunika und einen schönen Gürtel zu schneidern. Ich wußte, daß ich die Amphore mit Jholaix-Wein würde bezahlen müssen, was ich gern tat – auch wenn ich damit den Augenblick meiner Abreise nach Vallia weiter verzögerte. Aber ein Blick auf das strahlende junge Gesicht Pandos und in seine entzückten Augen verriet mir, daß meine Delia aus den Blauen Bergen mich verstehen würde.
Naghans Diener, ein einäugiger glatzköpfiger Mann aus der Gon-Rasse, blieb bei uns, um den Rest des Fells und die Mähne mitzunehmen, die nach pandahemischem Gesetz Naghan gehörten. Als wir die Arbeit beendet hatten, war die Karawane schon ziemlich weit von uns entfernt, und ich trieb Pando zur Eile an. Das zusammengerollte blutige Fell warf ich mir über die Schulter.
Der plötzliche Hilfeschrei ließ mich herumfahren und den Pelz zu Boden werfen. Augenblicklich hob ich meinen Bogen.
Aber es bestand keine Veranlassung zum sofortigen Eingreifen.
Der Mann, der aus einer Gruppe Missalbäume auf uns zukroch, war verletzt, und seine Axt schimmerte blutig. Er versuchte sich aufzurichten und auf uns zuzulaufen, doch dann brach er wieder zusammen. Sein Körper zuckte und rührte sich nicht mehr.
»Dray!« brüllte Pando.
»Nimm das Fell, Pando! Schnell zur Karawane zurück – beeil dich!« Dann wandte ich mich an den Gon: »Und du läufst auch! Warne Naghan – die Karawane wird angegriffen!«
Denn hinter dem Mann, der in seinem Blut zusammengebrochen war, sah ich die wölfischen Umrisse von Halbwesen, die sich auf Preysanys der Karawane näherten – ihre schmalen Gestalten waren hinter den Missals kaum zu erkennen. Ihre Waffen blitzten im Licht der Zwillingssonne. Die Räuber mußten den Wagenzug in wenigen Sekunden erreicht haben.
Ich schoß auf den ersten Reiter, warf mir den Bogen über die Schulter, eilte zu dem Gefallenen und stemmte ihn mir auf den Rücken. Er war unglaublich groß und dünn. Als ich ihn hochhob, gingen seine Augen auf, und er keuchte. Seine rechte Hand entspannte sich nicht, sie umklammerte den Schaft der Axt.
»Banditen!« Er brachte das Wort gepreßt heraus, und ich erkannte, daß er seine letzten Kräfte verausgabt hatte, um die Karawane zu warnen. »Banditen!«
»Beruhige dich, Dom«, sagte ich.
Dann rannte ich zur Karawane zurück, wo bereits ein erbitterter
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