Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
gekettet.
Mein Körper erschlaffte. Ich glaubte nicht, daß ich auch nur den kleinen Finger gegen die Wächter erheben konnte. Ich versuchte mich auszuruhen und zu schlafen, doch Traumbilder gingen mir durch den Kopf, und ich stöhnte. Ketten rasselten. Wir erhielten nichts zu essen. Wächter holten uns, Männer in Rot und Schwarz, und wir wurden fortgezerrt. Wir hungerten, denn wir hatten seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Wir waren zehn, zehn ausgemergelte Vogelscheuchen, verfilzt, schmutzig, von Schwären bedeckt. Stöhnend ließen wir uns mitziehen, während die Ketten über die Erde schleiften.
Unsere Ketten erwürgten uns fast, als wir die Treppen hinaufgezerrt wurden. Wir befanden uns im Palast des Herrschers in Vondium. Wir betraten eine riesige schimmernde Fußbodenfläche. Rotgrüner Sonnenschein strömte in den Saal. Viele Menschen umgaben uns, Höflinge, Gardisten, Angehörige des Luftdienstes, herrlich gekleidete Frauen. Der Anblick blendete mich. Ich konnte kaum stehen, so schwach war ich. Ich begann zu schwanken und fiel zu Boden, und ein Stiefel traf mich, trieb mich wieder hoch. Auch Korf Aighos sank um und wurde wieder hochgezerrt. Wir hinterließen eine blutige Spur auf dem glatten Boden.
Ich blickte auf. Seltsam verzerrt erblickte ich einen Thron an der Längsseite, der bis zur Decke zu reichen schien. Auf diesem Thron saß eine Gestalt, die rotgolden schimmerte. Ein zweiter Thron stand daneben, herrlich verziert – ein Stück aus einer Welt, in die ich nicht gehörte.
Ich spürte, daß sich die anwesenden Würdenträger angeregt unterhielten, und hie und da schnappte ich auch ein Wort auf. Wir waren Attentäter, Mörder, Banditen, die Überfälle durchführten, Frauen vergewaltigten und Menschen töteten.
Die Wächter traten zurück. Eine Stimme erklang.
»Hier, Lord Herrscher, hier sind die Übeltäter, die dein Urteil erwarten!«
Also sollte uns doch nicht der Prozeß gemacht werden ...
Ich versuchte aufzustehen, doch meine Ketten drückten mich nieder. Ich taumelte und stürzte. Der harte, glatte Boden schlug mir entgegen. Schlaff vor Müdigkeit blieb ich liegen. Den Hunger spürte ich schon gar nicht mehr, nur konnte ich nicht mehr aufstehen und diese Menschen und ihren Herrscher eine Horde Kleeshes nennen.
Was hatte es noch für einen Sinn, sich weiter zu wehren? Ich hatte versagt. Ich hatte behauptet, ich würde stolz vor den Herrscher hintreten und ihn kühn um die Hand seiner Tochter Delia bitten.
Und hier lag ich nun vor ihm, wie ein wildes Tier in Ketten geschlagen, voller Wunden, stinkend.
Oh, Dray Prescot, wie tief warst du gesunken!
Ich hörte einen Schrei und dann einen entsetzten Ausruf.
Ich mühte mich aufzustehen – doch vergeblich.
Man würde mich jetzt hinausbringen und mir den Kopf abschlagen.
Ich hörte ein Rascheln, und dann ging ein seltsames Zischen durch den Saal, als hielten viele Menschen den Atem an. Im nächsten Augenblick berührte mich ein Lufthauch, und in meine Nase stieg ein herrlich sauberer, süßer Duft. Ich spürte, wie sich warme Arme um mich legten, mich ungeachtet meines Schmutzes emporhoben.
»Oh, Dray! Mein Dray! Endlich habe ich dich gefunden!«
13
Meine Delia!
Plötzlich rührten sich in mir letzte Kräfte, ein letzter Fetzen von – nein, nicht Stolz, sondern Liebe für Delia, und ich hockte mich auf die Knie. Sie drückte mich an sich und schluchzte auf eine Weise, die mir den Mann verhaßt machte, der ihr so das Herz brach – mich selbst. Ich stand auf, doch das wollte sie nicht zulassen.
»Dray! O Dray, ich bin ja so verzweifelt gewesen! Dray!«
»Delia!« brachte ich nur heraus. Der Thronsaal kreiste um mich. Ich taumelte, und sie hielt mich fest. »Ich liebe dich, meine Delia! Ich werde dich immer lieben!«
Immer wieder sagte sie schluchzend meinen Namen und drückte mich an sich. Ich vermochte kaum etwas zu erkennen. Hände zogen uns auseinander. Zarte, besorgte Hände von Hofdamen, die meine Delia sanft fortzogen. Und die grausamen harten Hände der Sklavenaufseher und Wächter, die mich fortzerrten und mir mit dem Peitschengriff einen Schlag ins Gesicht versetzten, um die Trennung zu beschleunigen.
Delia schrie auf, und ich begann mich zu wehren.
Ich weiß nicht, woher ich plötzlich die Kräfte hatte.
Ich nahm den Peitschengriff zwischen die Zähne und zog daran. Dann zog ich den Kopf zurück und ließ ihn vorschnellen, und die Peitschenschnur wirbelte herum. Ich zwang mich dazu, die Augen zu öffnen und
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