Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
ich den Kopf und blickte auf.
»Seg?« flüsterte ich.
»Im Namen der windigen Bergspitzen von Erthyrdrin, Dray! Auf mit dir, Dom, auf die Beine, ehe die froyvilvergessenen Cramphs etwas merken!«
»Seg.«
»Na, wer sonst ...« Dann veränderte sich die vertraute Stimme. Seg – er war es wirklich, er war Seg Segutorio! –, Seg kam auf mich zu, kniete neben mir nieder, legte mir eine Hand unter das Kinn und hob meinen Kopf an. Er blickte mir ins Gesicht, und ich lächelte.
»Dray! Dir geht es ja verdammt schlecht!«
»Nein, Seg. Nein – denn du lebst, und ich habe lange um dich getrauert. Oh – Seg!«
Da nahm er mich auf die Arme, drückte mich an seine Brust und trug mich fort – durch Korridore, die in unbewohnte Winkel des großen Herrscherpalastes von Vallia führten. Schließlich erreichte er einen kleinen Raum, wo er mich auf ein einfaches Bett legte. Dann brachte er Wasser, wusch mich und kümmerte sich um meine Wunden.
»Seg ...« Mit zitternder Hand umfaßte ich seinen Unterarm. »Wie geht es Thelda?«
Er lächelte und arbeitete weiter an mir. »Sie ist Mutter geworden, Dray. Ein gesunder Junge.«
»Aber ...« Ich glaubte es noch immer nicht. Draußen in den Unwirtlichen Gebieten, als die Armee der Königin Lila aus Hiclantung von den Harfnars aus Cherwangtung besiegt worden war, hatten Seg, Thelda und ich mit den Resten von Hwangs stolzem Regiment die Flucht ergriffen – und ich hatte es geschehen sehen! »Ihr seid doch zu Boden gegangen, Seg – Thelda und du! Die Nactrixes sind über euch dahingewirbelt wie Chanks in einem blutigen Meer!«
»Sicher. Beim Verschleierten Froyvil, und was für ein wilder Haufen! Ich kämpfte, bis ich nicht mehr konnte, und ihre Leichen türmten sich rings um mich. Dann ließen sie von uns ab, um dich zu verfolgen. Da glaubte ich dich tot, Dray.«
»Aber ...«
Er lächelte und hielt mir eine Glasschale an die Lippen. Sie enthielt sehr kaltes Wasser, das mir normalerweise nicht schmeckt, das mir aber jetzt wie der beste Zond-Wein vorkam.
»Ich erfuhr, was aus dir und Delia geworden ist. Nachdem die Lorenztone weitergeflogen war, hast du doch nicht etwa angenommen, daß sich Delia damit zufriedengeben würde, oder?«
Ich sah ihn an.
»Du scheinst Delia aus Delphond wenig zu kennen, Dray wenn du das glaubst. Chuktar Farris aus Vomansoir erhielt den Befehl – und ich kann mir vorstellen, in welchem Ton das geschah! – umzukehren und dich zu suchen. Aber man fand dich nicht – vielmehr wurden Thelda und ich gefunden!«
»Gott sei Dank«, sagte ich. Ich sagte nicht: »Dank Zair« oder »Dank Opaz« oder »Dank den Unsichtbaren Zwillingen«, sondern ich gebrauchte den irdischen Ausdruck.
»Und so kamen wir nach Vallia, und ich denke ungern an die Zeit zurück, die Delia dann durchmachen mußte. Thelda und ich haben geheiratet.«
»Und du hast einen Sohn, der Dray heißt?«
Er sah mich nervös an und runzelte schließlich die Stirn. »Natürlich! Gibt es denn einen besseren Namen auf der Welt, du sturer alter Onker?«
»Und wie kommt es, daß du hier bist?«
»Naja, ich bin doch Bogenschütze, oder hast du das vergessen? Ich bin Koter in der persönlichen Leibwache des Herrschers, ich gehöre zu den rotgekleideten Bogenschützen aus Loh ... Ach, wie ich mich freue, bei Vox! Ich lebe richtig auf!«
Nun gab es einiges Durcheinander. Ich spürte, wie sich Schatten an meinem Bett bewegten, wie eine Frau lachte und weinte und mich in die Arme nahm. Arme Thelda! Sie meinte es immer so gut mit ihrer Aufdringlichkeit und ihrer ständig bekundeten Sorge für ihre Mitmenschen. Doch ich sollte feststellen, daß sie sich sehr verändert hatte – sie hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem rundlichen Mädchen, das mit uns durch die Unwirtlichen Gebiete gewandert war und auf Befehl der Racters versucht hatte, mich und Delia zu entzweien.
Sie beugte sich über mich: »Du mußt dich ausruhen, Dray. Ein Arzt wird kommen. Dann schaffen wir dich aus dem Palast.«
Ich öffnete den Mund, um die Worte zu sagen, die mir besonders am Herzen lagen. Aber dann preßte ich die Lippen zusammen. Ich kannte die Lage und wußte, was geschehen war. Ich wagte es nicht, nach Delia zu fragen. Ich wußte, daß diese Menschen meinetwegen ihr Leben auf Spiel setzten. Seg war ein einfacher Koter in der Leibwache des Herrschers, bei den rotuniformierten Bogenschützen aus Loh, und deshalb hatte er die Männer beseitigen können, die mich hatten hinrichten sollen. Es waren seine Kameraden
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