Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
gewesen; er hatte sie für mich umgebracht. Ich empfand ein starkes Schuldgefühl und zugleich Stolz und die quälende Pein der Reue, aber es war nun mal geschehen – und um ehrlich zu sein, für meine Delia wäre ich notfalls auch durch einen Ozean aus Blut gewatet.
»Geh kein Risiko ein, Seg. Verwische alle Spuren. Um deinetwillen – und für Thelda und den kleinen Dray!«
»Mach dir keine Sorgen, Dray. Erthyr der Bogen hält mit mir Wache.«
Und das beruhigte mich doch etwas, denn Seg rief selten den mächtigen Geist an, das höchste Wesen Erthyrdrins – und daß er es tat, bewies mir, daß er selbst zufrieden war.
Später erfuhr ich weitere Gründe für diese Zufriedenheit. Doch selbst heute noch weigert sich Delia, mit mir zu besprechen, was damals geschah. Jedenfalls wurde eine verstümmelte Leiche gefunden und als die meine ausgegeben, und eine überzeugende Erklärung für das Fehlen der fünf Bogenschützen fand sich auch. Mitten in der Nacht wurde ich aus dem Palast geschafft und in einem Schlupfwinkel auf dem Boden eines windschiefen Hauses untergebracht, das sich inmitten eines Gassengewirrs fern von den Kanälen erhob. Das Presidio, der hohe Rat, der nur dem Herrscher verantwortlich war, bestätigte sein hochmütiges Urteil, das mir die sofortige Hinrichtung androhte. Korf Aighos und die anderen acht Gesellen der Blauen Berge wurden vor Gericht gestellt. Ich erkundigte mich nach ihnen; Seg zuckte vielsagend die Achseln und nickte.
»Man hat sie schuldig gesprochen – und das waren sie ja auch weiß Froyvil –, aber Delia kennt deine Gefühle. Sie kennt dich lange genug, um all deine Regungen zu ergründen, als stünden sie in einer der illuminierten Schriftrollen meiner Kindheit. Wir haben einen Rettungsplan geschmiedet.«
Und nach einiger Zeit wurden die Männer tatsächlich gerettet und in einem anderen sicheren Versteck in Vondium untergebracht.
Der Arzt suchte mich auf, ein verschrumpelter kleiner Mann mit grauem Haar und struppigem Schnurrbart, der sein Handwerk verstand. Als erstes öffnete er seinen samtausgeschlagenen Sturmholzkasten, der voller Akupunkturnadeln war. Er hieß Nath die Nadel. Dr. Nath. Naja, es gibt viele Naths auf Kregen.
»Ich weiß nicht, wie du das alles hast überleben können, mein Lord«, sagte er schniefend. Er trug einen dunkelbraunen Anzug mit einem alten Umhang und einen Hut, in dessen vorderer Krempe die beiden Schlitze zu klaffenden Löchern geworden waren. »Eine Shorgortz-Infektion gilt im allgemeinen als tödlich. Aber die Medizin macht laufend Fortschritte in Vallia – und zweifellos haben die Bewohner der Blauen Berge eine Immunität entwickelt, die wir noch nicht kennen. Ich muß mich mal darum kümmern, wirklich ...« So plauderte er unentwegt vor sich hin, doch er gab mir eine übelschmeckende Flüssigkeit zu trinken – und es ging mir bald besser.
Delia stand natürlich unter strenger Bewachung. Da kam mir ein Gedanke. Sie hätte natürlich gern einen Weg gefunden, ihre Dienstboten und Wächter loszuwerden und mich zu besuchen, doch so etwas war zu gefährlich, denn schließlich war sie die Prinzessin Majestrix. Seg erzählte mir, daß der Herrscher seines Wissens ehrliche Zuneigung zu seiner Tochter empfand, doch daß sich seine Vorstellungen von der Majestät und Aura eines Herrschers mit diesem Ideal nicht recht vertrugen. Er war entschlossen, sie zu verheiraten. Sie war sein einziges Kind, und seine Ärzte hatten ihm gesagt, daß er keine weiteren Kinder bekommen könnte. Delia hatte nie von ihrer Mutter gesprochen, und ich nahm an, daß sie tot sei. Nachdem sich Delia nun so »unmöglich« aufgeführt hatte – wie es der Hofklatsch bezeichnete –, sollte sie mehr an die Kandare genommen werden, bis Kov Vektor neue Hochzeitsgeschenke beisammen hatte.
Ich sagte Seg, was ich haben wollte. Er sah mich an, kicherte, begann zu lachen und brüllte schließlich vor Heiterkeit. Ich fühlte mich ausgezeichnet, ich war anständig rasiert, und jetzt wurde mir neue, saubere Kleidung gebracht. Ich starrte in einen Spiegel aus echtem Glas, den stolzen Besitz Paline Panifers, des Mädchens, das sich für Seg um mich und das Zimmer kümmerte. Paline – so heißen viele Mädchen auf Kregen; sie war ein ernstes dunkeläugiges Geschöpf, das mich ehrfürchtig anstarrte – aber sie buk einen herrlichen Squishkuchen und konnte guten kregischen Tee zubereiten. Sie wusch meine Wäsche und kam dabei mit erstaunlich wenig Seife aus.
»Dray, morgen soll ein
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