Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung
war, doch das geschah nicht.
So wich er den Gästen aus, indem er Interesse für die Architektur des Palasts heuchelte. Leider war das Gebäude in der Blütezeit der Devis-Periode entstanden und besaß daher vor allem lange gerade Linien. Das Innere war in demselben Stil eingerichtet. Nachdem man angemerkt hatte, wie klar und übersichtlich die Linienführung doch war, gab es nicht mehr viel zu betrachten. Bis auf wenige Gemälde waren auch die Wände schmucklos und leer, und die Gemälde selbst waren überwiegend leere weiße Leinwände, in deren exaktem Zentrum allenfalls ein kleiner Farbtupfer zu entdecken war. Ein besonders gewagtes Exemplar hatte tatsächlich eine dunkelgrüne Leinwand, doch der Farbklecks, der hier nicht ganz im Mittelpunkt saß, war den anderen mehr oder weniger ähnlich.
»Ist das nicht ein Ausbund an zurückhaltender Eleganz?«, flüsterte Roland ihm ins Ohr.
»Sogar die Kriegsschiffe sind stärker geschmückt, wenn sie die Werft verlassen«, erwiderte Martinez. Er drehte sich zum Gewimmel der Gäste um. Im Laufe der Zeit hatten viele Einwohner die Hohe Stadt verlassen und sich in sichere Sonnensysteme abgesetzt, doch die Hochzeit des Yoshitoshi-Erben hatte immerhin noch fünfhundert der vornehmsten Peers im Reich angelockt. »Da sind sie alle«, sagte Martinez. »Die Träger großer Namen erscheinen auf Vipsanias Hochzeit. Das ist dein Triumph.«
»Triumphieren kann ich erst, wenn die Leute auch in unseren Palast kommen.« Roland hob sein Glas und trank einen Schluck Weißwein. »Es tut mir leid, dass ich die Yoshitoshis durch meine Verspätung in Verlegenheit gebracht habe.«
»Du hattest doch bestimmt einen triftigen Grund.«
»So ist es.« Er kniff die Augen zusammen wie eine Katze und sah Martinez von der Seite an, als wollte er dessen Blick nicht direkt erwidern. »Ich hoffe nur, du wirst meine Bemühungen auch zu schätzen wissen.«
»Falls ich dadurch einen Job finde, jederzeit.« Martinez war nicht in der Stimmung, sich auf Rolands Spielchen einzulassen.
Sein Bruder lächelte leicht. »In gewisser Weise ist mir das sogar gelungen. Ich habe deine Hochzeit arrangiert.«
Martinez schoss einen kalten, tödlichen Blick ab. Roland dagegen blickte zur Menge im Raum und hob das Glas, um einen Lai-own zu grüßen, der das Rot der Konvokaten trug.
»Schließlich hast du dich selbst ins Spiel gebracht, Gareth«, fuhr Roland fort, »und ich sagte ja, dass ich mich für dich verwenden würde.«
»Hoffentlich bist auch bereit, den Angehörigen der armen Frau deine Entschuldigung vorzutragen oder die Ärmste gleich selbst zu heiraten«, erwiderte Martinez.
Roland zog die Augenbrauen hoch und gab die verletzte Unschuld. »Willst du denn ihren Namen nicht erfahren?«
»Lieber nicht.«
»Terza Chen.« Als Martinez schockiert schwieg, fuhr er fort: »Du hast ja keine Ahnung, wie stark ich ihren Vater unter Druck setzen musste. Er war bereit, Millionen unser lausigen provinziellen Zeniths zu nehmen, aber einen provinziellen Schwiegersohn wollte er nicht haben.« Er strahlte selbstzufrieden. »Schließlich konnte ich ihn aber überzeugen, dass eine Verbindung zwischen uns langfristig von Nutzen wäre.«
Martinez fand seine Sprache wieder. »Terza Chen? Das ist doch verrückt.«
Wieder tat Roland unschuldig. »Wirklich? Wieso denn?«
»Einmal ist sie noch in Trauer.«
»Lord Richard Li ist tot.«
Lord Richard Li?, dachte Martinez. Einer der aufsteigenden Sterne in der Flotte – und um ihn trauert sie jetzt?
»Er ist noch nicht lange tot«, widersprach Martinez. »Sie ist wahrscheinlich noch nicht darüber hinweg.«
Roland fasste Martinez am Ellenbogen und beugte sich herüber, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. »Bei trauernden Witwen muss man schnell zuschlagen. Ich nehme an, bei trauernden Verlobten sieht es nicht anders aus.«
Martinez schüttelte Rolands Hand ab. »Vergiss es.« Er blickte suchend zur Menge hinüber. »Lord Chen muss doch hier irgendwo sein. Ich werde ihm sagen, dass er die Hochzeit vergessen kann.«
»Wenn es sein muss.« Roland zuckte mit den Achseln. »Aber dann solltest du ihm bei der Gelegenheit auch gleich mitteilen, dass du ebenso auf deinen neuen Posten verzichtest.«
Wieder starrte Martinez seinen Bruder kalt an, doch der Blick war weitaus weniger überzeugend als kurz zuvor.
»Ach, habe ich das noch nicht erwähnt?« Roland lächelte wie eine satte Raubkatze. »Geschwaderkommandantin Lady Michi Chen braucht auf ihrem Flaggschiff einen
Weitere Kostenlose Bücher