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Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Titel: Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Atemstößen wurde ihr schwindlig. Sie erinnerte sich, dass sie sich vor sechs Jahren über ein anderes Mädchen gebeugt hatte, das sich beharrlich ans Leben geklammert und sich unbeholfen gewehrt hatte, obwohl doch alles dafür gesprochen hatte, dass es sterben musste. Sula erinnerte sich an die heißen Tränen, die in ihren Augen gebrannt hatten, und wie sie das andere Mädchen angefleht hatte, endlich zu sterben.
    Später hatte sie die Tote in den Fluss geworfen. Das kalte, rasch strömende Wasser war über das stumme, bleiche Gesicht gestiegen, das blonde Haar hatte noch einen Moment im Wasser aufgeleuchtet, ehe es im Dunkeln verschwunden war.
    Der Arzt der Delhi war in Magaria gestorben, er war zusammen mit der Krankenstation und den meisten medizinischen Vorräten des Schiffs verbrannt. Deshalb meldete sich auf Sulas Ruf nun der Erste Apotheker. Er war jedoch gut ausgerüstet und drückte Rorty sofort eine Beatmungsmaske aufs Gesicht. Dann öffnete er ihr die Jacke, um den Defibrillator anzusetzen. Sula spürte noch eine ganze Weile später den wattigen Geschmack von Rortys toten Lippen. Als der Apotheker einen Injektor zückte, um Rorty ein Kreislaufmittel in die Halsschlagader zu spritzen, musste Sula sich abwenden. Ihr war so übel, dass sie schon das Brennen in der Kehle spürte.
    Sie verabscheute die Injektoren. Manchmal tauchten diese Geräte sogar in ihren Alpträumen auf. Deshalb benutzte sie lieber Pflaster.
    Der Apotheker löste den Riemen, der Rortys Kopfhörer und den virtuellen Projektor fixierte, und legte ihr ein Sensornetz über den Kopf, um ihr Gehirn abzutasten. Nach einem kurzen Blick auf die Anzeigen schaltete er seine Geräte ab. »Mit jedem Herzschlag läuft nur noch mehr Blut im Gehirn aus.« Er stellte das Beatmungsgerät ab. »Das haben Sie gut gemacht, meine Lady. Leider sind Sie zu spät gekommen.«
    Gleich darauf trafen die Helfer mit der Trage ein. Sie blieben in der Tür stehen, während der Apotheker einpackte und Rortys Overall schloss. Sula kämpfte noch immer gegen die Übelkeit an, die mit Samtfingern nach ihrer Kehle griff. Als sie glaubte, es wieder ertragen zu können, packte sie die Träger des Käfigs und zog sich hoch. Dann holte sie ihren Helm und die Handschuhe und kehrte zu ihrem Kommandokäfig zurück.
    Rorty lag inzwischen auf der Trage. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie sie … verstaut haben, dann fliegen wir wieder mit höherem Schub.«
    »Jawohl, meine Lady«, sagte einer.
    Sula blickte zu Massimo, der seinerseits, unrasiert und die Arme in die Hüften gestemmt, zur Trage blickte, auf der die Helfer Rorty gerade festschnallten.
    »Massimo«, lobte Sula ihn, »danke für Ihre Hilfe.«
    Erschrocken sah er sie an. »Danke, meine Lady. Aber … wenn ich nicht eingenickt wäre … dann …«
    »Sie hätten nichts tun können«, beruhigte sie ihn. »Rorty hat vergessen, die Helmmonitore anzuschließen.«
    Massimo dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er. Hätten wir die Warnung erhalten, dann wäre Rorty jetzt ein Krüppel statt einer Leiche, dachte Sula.
    »Können Sie bis zum Ende der Wache die Navigation und die Aufgaben des Piloten zusammen übernehmen?«, fragte Sula.
    »Ja, meine Lady.«
    »Dann machen Sie sich mal an die Arbeit und berechnen Sie einen Kurs, auf dem wir zum Geschwader zurückkehren können.« Die anderen Schiffe hatten bereits den Kurs gewechselt und flogen um den Gasriesen Vandrith herum, der sie auf dem Weg nach Zanshaa weiter abbremsen sollte. Aufgrund der Verzögerung musste die Besatzung der Delhi ein paar Grav mehr als geplant über sich ergehen lassen, wenn sie den Planeten noch rechtzeitig anfliegen wollten.
    Die Sanitäter mussten die Trage stark kippen, um sich durch die schmalen Durchgänge zwischen den Beschleunigungskäfigen zu zwängen. Sula dachte unterdessen an willkürlich schwankenden Blutdruck, mürbe Arterienwände und Blut, das im Gehirn oder in Körperhöhlen ausströmte. Rorty war zwanzig und bei bester Gesundheit gewesen. Noch ein paar Monate, und die Hälfte der Besatzung wäre betroffen.
    Sula betrachtete den Helm, den sie in den Händen hielt, und erkannte, dass sie ihn auf keinen Fall aufsetzen konnte. Wenn sie nicht frei atmen konnte, würde sie schreien. Deshalb verstaute sie den Helm und die Handschuhe im elastischen Netz neben der Liege und setzte sich auf ihren Platz. Mit dem Handrücken versuchte sie, Rortys Geschmack abzuwischen.
    Sie wollte an Vasen und Töpfe denken, an glattes Seladon. Doch immer

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