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Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Titel: Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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seien … und wenn Gestalten wie König Lear oder Ödipus Kummer empfanden, dann lag dies vor allem an deren unzulänglichem Verständnis für die Praxis.
    Derivoo war schlicht – ein Sänger, ein paar Begleitmusiker und der unverstellte, reine Ausdruck eines tragischen Geschehens. Hier gab es weder die Großartigkeit der Daimong noch die überbordende Freude der Cree. Im Derivoo begegnete eine Seele der Dunkelheit und blieb standhaft trotz der Gewissheit, dass die Finsternis triumphieren würde. Tapfer und unerschütterlich wandte der kleine Mensch den heulenden Winden des Kosmos sein Antlitz zu.
    Sula lauschte hingerissen. Die Sängerin war großartig, und die Musiker verstanden die Wirkung zu verstärken, ohne die Schlichtheit zu zerstören. Als Sula die gepeinigte Stimme hörte und die reinen Emotionen empfing, hatte sie das Gefühl, eine Faust legte sich um ihr Herz. Fast war es, als hörte sie die Worte durch einen Schleier aus Blut. Für Sula war der Tod kein Fremder.
    Sie hatte geholfen, die Toten der Delhi von der verbrannten Brücke zu bergen, die verkohlten menschlichen Überreste, kaum schwerer als ein kleines Kind, die auf ihren Händen schwarze Kohleflecken hinterlassen hatten.
    In Magaria hatte sie zweitausend oder mehr Naxiden vernichtet.
    Als Kind hatte sie einen erwachsenen Mann getötet und in den Fluss geworfen.
    Einmal hatte sie ein unglückliches, verwirrtes junges Mädchen umgebracht.
    Eindringlich sah sie sich an die eigene Sterblichkeit erinnert. Auch sie war nur ein kurzer Funke, ein Staubkorn in der Hand des Schicksals.
    Schließlich lächelte sie beruhigt. Sie wusste, wo sie war.
    Sula war zu Hause.
     
    An diesem Abend schien Sulas Gesicht von innen zu strahlen, ihre Wangen hatten Farbe, und in ihren grünen Augen schimmerte ein magischer Glanz. Das Derivoo hatte sie verwandelt. Fasziniert beobachtete Martinez, wie die Darbietung Sula erfüllte und bewegte. Sulas helle, gerötete Haut war im weichen Licht des Clubs so hinreißend, dass er sich nur deshalb nicht auf sie stürzte und das perfekte Antlitz mit seinen Lippen erkundete, weil er fürchtete, es zu verschandeln und die hingerissene Verzückung zu stören.
    Erst als sie den Club verlassen hatten und Sula in der kühlen Abendluft schauderte, wagte er es, sie in seine warmen Arme zu nehmen und zu küssen.
    »Das war wundervoll«, sagte sie schließlich. Er war ein wenig enttäuscht, weil sie die Sängerin meinte und nicht seinen Kuss.
    »Sie gehört zu den Besten«, erklärte Martinez. Er nahm sie beim Arm und führte sie die Straße hinunter in Richtung der Seilbahn. Als jemand die Tür einer Bar öffnete, fiel ein warmer Schein auf das Pflaster. In mehreren Clubs in der Nähe wummerte Musik.
    »Dir ist kalt. Sollen wir hier irgendwo einkehren, damit du dich aufwärmen kannst?«
    »Nein, ich friere nicht, mir geht es gut.« Sie schaffte es zu lächeln. »Ich will heute Abend keine andere Musik mehr hören. Sie würde dem Konzert nicht gerecht.«
    Dann drehte sie sich zu ihm um, die Farbe war noch nicht aus ihrem Gesicht gewichen, und strahlte ihn an. Martinez bugsierte sie in den verschwiegenen Eingang eines Geschäfts, nahm sie in die Arme und küsste sie. Er genoss die Wärme ihres Atems auf seiner Wange, die weichen Lippen, den Zitronengeschmack des Erfrischungsgetränks auf ihrer vorwitzigen Zunge. Dann zog er sich zurück. Die Dämmerung von Sandama berauschte ihn, sein Herz schlug schwer, und auch sein Verstand war ein wenig aus dem Tritt geraten. Unzusammenhängende Gedanken und Eindrücke blitzten auf. Mühsam lenkte er sie in die richtigen Bahnen.
    »Weißt du«, begann er, »es war kein Scherz, als ich sagte, dass ich mich deiner Familie anschließen will.«
    Sie lächelte verwirrt »Vielleicht könnte ich dich adoptieren. Allerdings hatte ich nicht die Absicht, so früh Mutter zu werden.«
    »Es gibt noch einen einfacheren Weg«, erwiderte Martinez. »Wir könnten heiraten.«
    Sula starrte ihn an, riss die großen Augen weit auf. Dann wurde sie misstrauisch. »Du nimmst mich doch nicht auf den Arm, Kapitän?«
    »N-nein«, stotterte Martinez. »Absolut nicht.«
    Daraufhin strahlte sie, und jedes weitere Wort war überflüssig. Seine Lippen empfingen die Antwort von den ihren.
    Gleich darauf wanderte er mit ihr weiter die Straße hinunter. Seine Gedanken rasten, er grinste wie ein Idiot und war über und über glücklich.
    »Wird deine Familie keine Einwände erheben?«, fragte Sula. Er hatte ihr bereits erzählt, dass

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