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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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erhobenen Armen, kehrte dann aber zu einem gemächlicheren Gang zurück. Das fühlte sich echter an, feierlicher.
    Und auf einmal stand er auf der Lichtung, im prallen Mondschein, der Feldweg weiß leuchtend und die breite Wasserfläche glänzend vor ihm. Und der Mond, lockend. Er fühlte sich von ihm angezogen, anerkannt, verstanden. Das Lied war zu einem Mondtanz geworden, und der Mond hatte zugehört.
    Der Mond bot ihm ein Geschenk, dieses Wasser. Deshalb hatte es ihn hierhergezogen. Die Wasseroberfläche ständig in Bewegung, das Licht nie starr, sondern in Mustern wechselnd. Das war es, was Siddhartha gesehen hatte. Im Fließen des Wassers liegt das Verfließen des Selbst und aller Bindung, und in den Formen der Oberfläche spiegelt sich das Antlitz aller Dinge. Jede Sehnsucht, jeder Schmerz, alles nimmt einen Augenblick lang Gestalt an, eine Gaukelei des Lichts, und löst sich dann auf. Wenn wir auf Wasser blicken, träumen wir und erinnern uns an den Sog früherer Inkarnationen, und wir sehnen uns nach unserer wahren Gestalt jenseits dieses Körpers, jenseits dieser Inkarnation, jenseits dieser Welt der Illusionen.
    Galen begriff jetzt, was er heute Nacht tun musste. Das Mondlicht ein Pfad über das Wasser, der Beweis dessen, was er war, endlich. Er ging darauf zu oder wurde gegangen, das Universum lenkte seine Füße. Der Strom schöner Laute, das Blubbern und Fließen, eine beruhigende Stimme, sanftes Licht, und er hatte seine Füße verloren. Sie waren eins geworden mit dem Licht und würden über die Oberfläche laufen, wie das Licht, das auf dem Wasser lag.
    Galen ekstatisch, seine Seele durchdrungen von Liebe. Sein Fuß auf der Oberfläche kalt, der Atem des Wassers, das war in Ordnung, es geschah, doch dann sackte sein Fuß ein, und er kippte, versuchte, die Handflächen oben zu halten, den Moment zu retten, nicht das Vertrauen zu verlieren. Der nächste Schritt konnte durchaus halten, also setzte er seinen anderen Fuß auf, doch auch der sackte ein, und sein Knöchel knickte auf dem Stein darunter um, und er fiel nach vorn, traf mit dem Gesicht aufs Wasser, ein eisiger Schreck, der ihm alle Luft nahm. Er atmete Wasser und drückte sich von Steinen und Sand ab, ruderte mit den Armen. Er hustete, stolperte und fiel wieder, sein Knöchel verstaucht, zu schwierig, darauf zu stehen, also setzte er sich auf den Po und zog sich mit den Armen rückwärts ans Ufer. Er kroch aus dem Wasser und legte sich auf den Boden, sein Körper im Dreck. Verdammt, sagte er. Wann ist es endlich so weit?

 
 

 

 
    G alen humpelte den Weg entlang, klitschnass, zitternd und dreckig, die nasse Jeans und das Sweatshirt schwer, und als er die Hütte erreichte, fragte er sich, wie er reinkommen sollte. Nicht durch die Vordertür. Diese Genugtuung würde er seiner Tante auf keinen Fall bereiten.
    Baden würde er auch nicht können. Dazu war es zu spät. Also war seine einzige Hoffnung der Ofen.
    Galen trat leise auf die Terrasse, duckte sich unter dem Küchenfester und ging um die Ecke, um durch das kleinere Fenster über der Spüle zu spähen. Seine Mutter und Großmutter saßen noch immer an dem kleinen gelben Tisch und tranken gelben Wein. Eine zweite Flasche, beinahe leer. Alles verzerrt durch das alte Fensterglas, gebogen, die obere Flaschenhälfte vergrößert, die untere geschrumpft. Der Kopf seiner Großmutter zu klein. Alles gelb, so schien es, selbst die weißen Wände in gelbes Licht getaucht.
    Das konnte dauern. Sie tranken selten, aber wenn, dann ging es geradewegs in die Vergangenheit. Die leeren Kisten seines Großvaters draußen vor der Tür zur Speisekammer. Galen hatte keine einzige Erinnerung an ihn, die ohne Wein auskam, ohne den Geruch von Riesling, dem einzigen Wein, den er trank, ein Stück alte Heimat. Galen wusste nicht, wo in Deutschland sein Großvaterherkam, wusste nicht, wie es dort aussah, hatte keine Ahnung von der Kindheit seines Großvaters. Alles verloren. Sowieso eine Illusion, dennoch eine, die Galen kennen wollte, und sei es, um seinen Großvater besser einordnen zu können. Sein Großvater, schon mit seinem dicken Finger auf die Welt gekommen, der durch die Luft kreiste, der Galens Bauch attackierte, summend, bsss, bsss, bsss, bsss machte sein Großvater, und Galen gruselte sich vor diesem Finger. Die früheste Erinnerung und natürlich überflutet von dem Geruch nach Wein. Der Weinatem seines Großvaters, die dunklen Zähne, die dichten Haare in den dunklen Nasenlöchern, der Versuch zu

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