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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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dir einen Vorsprung. Wenn du jetzt gehst, hast du eine Stunde bis zu meinem Anruf.
    Nein. Ich will keine Stunde. Das kannst du nicht machen, Mom. Er sackte gegen die Tür, altes graues Holz, rau und verwittert und heiß an seiner Wange.
    Zu ungerecht. Vergewaltigung. Es war doch keine Vergewaltigung. Ich bin kein Vergewaltiger, sagte er.
    Sie antwortete nicht. Wartete einfach im Schuppen, dem Ort ihrer Kindheit. Ihre Kindheit, die so besonders war, dass keiner daran rühren durfte. Alles eine Lüge.
    Ich bin kein Vergewaltiger.
    Du bist ein Vergewaltiger, und du misshandelst Menschen. Und mich wirst du nie wieder misshandeln.
    Scheiße! Er klatschte mit der Handfläche aufs Holz.
    Siehst du?
    Du bist irre.
    Siehst du?
    Hör auf mit dem Scheißdreck.
    Siehst du?
    Galen war so frustriert, dass er brüllend auf die Tür eintrat.
    Du bist ein Tier, schrie sie. Du bist ein Tier, und du gehörst in einen Käfig.
    Galen trat zurück und drehte sich, um die Hacke in die Tür zu rammen. Er trat fest zu. Aber sie war stabiler, als sie aussah. Ich zeig dir, was misshandeln bedeutet, sagte er. Wenn du das Wort schon benutzt, sollst du auch wissen, was es bedeutet.
    Du lieferst mir bloß weiteren Stoff fürs Gericht. Ich werde aussagen, dass du versucht hast, mich umzubringen.
    Galen hörte auf zu treten. Er konnte das alles nicht fassen. Immer wieder drehte sie alles um. Er musste nachdenken. Er musste über einen Ausweg nachdenken.
    Hör zu, sagte er. Ganz ruhig jetzt. Denken wir doch mal darüber nach. Ich habe dir nie etwas angetan. Ich habe nie jemanden misshandelt. Können wir uns zumindest darauf verständigen?
    Du hast mich misshandelt.
    Galen konnte hier nicht bleiben. Wenn er blieb, bekam er einen Schreikrampf. Er musste eine Weile weggehenund sich beruhigen und nachdenken. Aber sie durfte nicht die Polizei rufen, während er weg war.
    Es gab einen Riegel, der auf den Knauf passte. Den schwenkte er hinüber, und dann probierte er das Schloss. Es war eingerostet und ließ sich nur schwer schließen, aber er schob es mit einem Bein nach oben und drückte mit beiden Händen nach unten, sodass es einrastete.
    Was machst du da?
    Ich habe die Tür verriegelt. Ich muss ein bisschen nachdenken. Das muss ich erst mal sortieren. Und ich kann nicht zulassen, dass du in der Zwischenzeit die Polizei rufst.
    Sie lachte. Hervorragend. Du schaufelst dir dein eigenes Grab.
    Bist du meine Mutter?, schrie er. Er schrie so laut, dass ihm die Kehle weh tat, wie beim Kotzen, Mund und Kehle so weit geöffnet, dass sie brannten. Bist du meine Mutter?

 
 

 

 
    S ie so anzuschreien schwächte ihn. Nichts mehr in ihm, Leere. Was er spürte, war nicht einmal Wut. Es war etwas viel Verzweifelteres, die ganze Welt aus den Fugen. Er ging auf das Haus zu, eine Hülle nur, nicht mehr.
    Die Decke war irgendwo im Haus, und er würde sie finden. Auch wenn es eigentlich egal war.
    Ihr Zimmer noch immer ein Kinderzimmer. Holzspielzeug aus Deutschland in den Regalen, Eisenbahnwagen und Nussknacker und kleine Mädchen aus Holz. Ein ausgewachsenes Schaukelpferd, ebenfalls aus Holz. Alles mit Bedacht platziert, die kostbarsten Kindheitserinnerungen.
    Eigentlich wusste er nicht, wer seine Mutter war. Er war nicht dabei gewesen, als sie geschaffen wurde, und hatte auch die Jahre nicht erlebt, in denen sie neu geschaffen wurde. Er hatte keinen Ausgangspunkt. Und was sie jetzt tat, war unvorstellbar. Wie sie miteinander redeten, war unvorstellbar.
    Was ist geschehen?, fragte er laut.
    Er fand ihren kleinen Koffer im Schrank, aber er war leer, bereits ausgepackt nach der Reise. Er schob Kleider und Mäntel beiseite, fand Papiertüten mit Pullovern und Strümpfen. Keine Spur von der Decke.
    Ihr Bett schmal, mit einer hellblauen Decke. Er knietesich hin, sah unters Bett, und da war sie. Eine alte braune Decke aus der Hütte und irgendwo darauf die Spuren seines Verbrechens.
    Galen legte sich auf den Holzboden und schob sich die Decke unter den Kopf, als Kissen. Er lag da, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Er musste die Ereignisse rückgängig machen, ungeschehen. Wann war es zwischen ihm und seiner Mutter entgleist?
    Die Decke war aus rauer Wolle, sehr alt. Und das war das Problem. Zwischen Galen und seiner Mutter war es entgleist, bevor Galen überhaupt geboren war. So war es. Und es war himmelschreiend ungerecht, dass er jetzt dafür die Schuld bekam.
    Das bin nicht ich, sagte er. Hier geht es nicht mal um mich.
    Er stand auf, nahm die Decke mit in den

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