Dreck: Roman (German Edition)
darunter, bizarr gebrochene Formen, raue Gesichter. Auf jedes Korn und jeden Klumpen und jeden Stein, während die Schaufelladung in der Luft verharrte, um zu sehen, wo sie sich jeweils im Verhältnis zueinander befanden, das Raster zu sehen, das Muster, und dann den Fall zu beobachten.
Seine Seele machte das bereits viele Jahrhunderte, hatte ganze Lebensformen entstehen und schwinden, andere Mütter kommen und gehen sehen. Wahrscheinlicher war, dass er schon Jahrtausende, nicht bloß Jahrhunderte da war. Er könnte dabei gewesen sein, als vor etwa zwanzigtausend Jahren die Höhlen bemalt wurden, hatte vielleicht selber Pferde und Ochsen an die Wände gemalt.Die Höhle kühl und klamm, irgendwo in Frankreich, die Höhle dunkel, ein Ort, vor dem andere Angst hatten, und jeden Tag ging er mit seiner Fackel hinein, hatte Kohle vom Lagerfeuer dabei für seine Kunst. Und es gab eine junge Frau im Lager, die das bemerkte, die aufsah vom Beerensammeln, wenn er vorbeikam, und ihm schließlich in die Höhle folgte.
Verdammt, sagte er. Das sollte eine Meditation sein, kein Porno.
Was?, fragte seine Mutter.
Ich rede nicht mit dir.
Du nennst das hier einen Porno? Du begräbst deine Mutter und nennst das einen Porno?
Galen schlug mit der Schaufel gegen die Wand. Halt deine Fresse, schrie er. Mit dir rede ich gar nicht. Du hast doch keine Ahnung. Einen Dreck weißt du, was mir durch den Kopf geht.
Du hast Porno gesagt.
Galen schlug immer wieder mit der Schaufel gegen die Wand. Die Luft um ihn herum brannte, ihm war schwindlig, er war schweißnass und sah Sonnenflecken. Aufgerissene Hände. Die Schultern so kraftlos, dass er die Schaufel fallen ließ und in den Schatten der Feige taumelte.
Er setzte sich auf den schmiedeeisernen Stuhl und sackte nach vorn, stützte sich auf den Tisch. Atmete schwer. Kein Sauerstoff in der Luft.
Du hast mich eine Irre genannt, sagte sie, aber überlegen wir doch mal. Es klang, als sei sie in der Nähe der Rückwand, wenige Meter von ihm entfernt. Ihre Stimme war rau, heiser vom Schreien. Du hast deine Mutter ineinen Schuppen gesperrt und versuchst, sie umzubringen.
Ich versuche nicht, dich umzubringen.
Du schaufelst Erde an die Wand, ein Begräbnis, und du hörst nicht, wenn sie schreit. Du redest von Pornos.
Wer ist sie?
Was?
Du hast gesagt, ich höre nicht, wenn sie schreit.
Sie ist ich.
Genau. Und wer ist hier irre?
Wir könnten dir Hilfe beschaffen.
Ich dachte, du wolltest mich ins Gefängnis stecken.
Es gibt Gefängnisse, die sind Nervenheilanstalten.
Ich kann dir nicht zuhören, sagte Galen. Ich kann dir nie wieder zuhören. Mit den Händen auf den Ohren ging er ins Haus, um in den Küchenschubladen nach Ohrstöpseln zu suchen. Irgendwo hatte sie Wachsstöpsel. All das alte Silber, echtes Silber, ein Irrsinn hier in der Küche. Alles an ihrem Leben war Irrsinn. Und er durchschlug diesen Knoten. Er war das Gegengift. Er würde zu seiner Meditation zurückkehren und sich nicht von ihr ablenken lassen.
Jede Kleinigkeit aus dem vergangenen Jahrhundert wurde in diesen Schubladen aufbewahrt. Uralte Gummibänder, metallene Heftzwecken, ein Holzlineal, Knöpfe und Garnreste, nichts je weggeworfen, alles aufgehoben, für alle Fälle. Galen zog eine Schublade heraus, löste den Stopper hinten, trug sie hinaus auf den Rasen und leerte sie auf einen kleinen Haufen, braune oder metallene Dinge, die seit Jahrzehnten keine Sonne gesehen hatten.
Dann holte er die nächste Schublade und noch eine, und alle leerte er aus. Er holte die Schubladen nicht nur aus der Küche, sondern auch aus der Speisekammer, dem Flur, dem Esszimmer. Das Schwere ließ er da, Teller und Besteck, nahm aber jede Schublade mit zusammengewürfeltem Krempel und leerte sie aus. Keine Spur von Ohrstöpseln, doch inzwischen ging es sowieso um etwas anderes, eine Reinigung, es ging darum, sich zurück in die Vernunft zu brennen, das Alte und Nutzlose wegzubrennen.
Hier ist deine Vergangenheit, sagte er.
Was? Ihre Stimme gedämpft. Der Schuppen nicht gerade konversationsfördernd.
Hier ist deine Vergangenheit, sagte er lauter, und dann kam ihm eine Idee. Deine Fotos, sagte er.
Was machst du mit meinen Fotos?
Noch nichts, aber ich glaube, sie kommen auch gleich auf diesen Haufen. Alles kann brennen.
Nein. Finger weg von meinen Sachen, Galen.
Du kannst mich gerne aufhalten, wann immer dir danach ist.
Galen!
Er ging in ihr Zimmer, stand da und sah sich um. Zum letzten Mal würde er all ihre Sachen sehen, zum
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