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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Waschbecken, und fand ein Paar alte, zwei schmutzige Batzen. Er stopfte sie sich in die Ohren und lauschte nun in seinen Kopf hinein, auf Puls und Synapsen, und genau dort sollte er sein. Keine Ablenkung mehr. Lautlos konnte sie ihn nicht mehr erreichen.
    Er verband seine wunden Hände mit Mull und wühlte dann in ihrem Schrank nach Handschuhen, warf Sachen umher und leerte die Schubladen ihrer Kommode auf dem Boden aus, Socken und Unterwäsche und Büstenhalter und Blusen und alles, aber noch immer keine Handschuhe.
    Also marschierte er zum Schuppen hinaus, ging ganzherum zum kleinen Geräteschuppen. Bestimmt sprach sie jetzt mit ihm, aber er hörte nur den Luftraum in seinem Schädel.
    Seine Augen mussten sich nach der grellen Sonne erst wieder umstellen, aber dann entdeckte er an einer Seite ein kleines Regal, und hier waren die Handschuhe. Er nahm sich ein Paar leichte aus Baumwolle, dunkel vor Schmutz und Schmiere, und klopfte sie aus, um Schwarze Witwen zu töten, falls da welche waren. Dann zog er sie über die Mullverbände. Jetzt würde er sich seiner Meditation widmen.
    Er ging vor zur Schuppentür, stand am Rand der Plantage mit dem Rücken zu den Bäumen und besah sich den Erdhaufen, den er entlang der Wand aufgeschüttet hatte. Es war eine Furche, wie er jetzt sah, wie in der Plantage. Die Furche verband die Plantage mit dem Schuppen, kultivierte etwas.
    Die Bäume in seinem Rücken eine Art Publikum, voller Erwartung. Schwer aus dem Boden gewachsen hingen sie nun in der Luft, bereit.
    Okay, sagte er. Ich tu's. Und er ging zur Ecke, wo nur noch wenige Meter Wand übrig waren. Stach die Schaufel ein, und seine Hände brannten. Arme und Rücken schmerzten beim Heben. Er hatte sich bereits verkrampft.
    Die Erde schien bloß Erde zu sein, sonst nichts. Von Aussehen, Gefühl und Geruch her Erde. Dreck. Die Schaufel schwer und der Wurf zu träge, eigentlich gar kein Wurf, nichts Schwebendes, bloß plumpe Schwerkraft.
    Komm schon, sagte er. Er wusste, dass jede Meditation so anfing, uninspiriert, zäh wie Lehm, ohne Verbindung. Ein Übergang von der unachtsamen zur achtsamen Welt, eine Reise durchs Dickicht der Erscheinungen. Eine Art Begräbnis und Versuch, sich selbst auszugraben, und immer fühlte es sich unmöglich an. Jedes Mal, jedes einzelne Mal fühlte es sich an, als würde das Dickicht niemals enden, als würde die Welt nie wieder in etwas anderes kippen, nie wieder wandeln und werden.
    Alles prickelte, Nacken und Rücken und Arme waren verbrannt, doch selbst das war keine Verwandlung. Selbst das war tot und schwer. Es tat bloß weh. Und er atmete hastig. Er war erschöpft.
    Sein Rücken schmerzte so sehr, dass er sich eigentlich nicht mehr bücken konnte, trotzdem machte er weiter, schaufelte weiter, nahm die Ohrstöpsel raus und versuchte, der Erde und den Steinen beim Herabrieseln vom Schaufelblatt zu lauschen, ein Klang fast wie Wasser, und dann das schwere Wumms beim Abladen. Der schärfere Klang kleinerer Steine auf Holz, wenn er höher zielte. Er war jetzt an der östlichen Wand, teils im Schatten, arbeitete sich auf den Rasen zu. Der kühle Schatten etwas Wunderschönes.
    Am liebsten mochte er die Schwebe, den Augenblick, in dem dieser ganze Dreck in der Luft hing. Er erinnerte sich jetzt, dass er sich in seiner Meditation zunächst darauf besonders konzentriert hatte. Der Tag im Fluss, kein Ofen mehr hier im Schatten, und der Hitzeschein um seinen Kopf aufgebrochen. Eine Rückkehr zur achtsamen Welt. Doch dann traf er auf härteren Boden.
    Er wollte den Schwung nicht verlieren, aber er war am Rand der bestellten Plantage angelangt, auf festen Boden getroffen, und er konnte nicht die Schaufel einstechen und ausholen. Die Spitze tauchte nur wenige Zentimeter ein, und wenn er schaufelte, bewegte er fast nichts. Der Boden wie eine Rüstung, mit Steinen darin, alles fest.
    Also ging er auf die andere Seite, zum Geräteschuppen, in die pralle Sonne. Der ganze Körper sofort glitschig, Wand und Boden hitzestrahlend. Hier konnte er seine Schaufel tief in lockeren Boden stechen, er hob und schwang sie, konzentrierte sich ganz auf dieses Gefühl, begutachtete den Augenblick mit jeder Schaufelladung, spürte, wie sein Körper durch Schwebe und Fall reiste.
    Siddhartha hatte Tage, Monate, Jahre in Meditation ausgeharrt, am Ufer gesessen und gewartet, aber Galen hatte eine aktive Meditation gefunden, eine viel schnellere Form. Es war eine Gabe, die er mit anderen teilen sollte. Vielleicht sollte er selbst

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