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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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stieß eine Art Kriegsgeheul aus. Er hielt seine verletzte Hand fest und versuchte sie im Mondlicht zu betrachten. Die Finger noch da, aber sie hatte sie mit etwas Hartem zertrümmert, der Kante eines Walnuss-Gestells, und es tat so weh, dass er keine Luft bekam. Der Schmerz loderte wie Feuer.
    Er versuchte, nicht zu rennen. Er ging rasch und vorsichtig ins Haus, in das Bad neben der Küche, machte das Licht an und konnte am Mittelfinger bis zum weißen Knochen sehen. Nein, sagte er. Er heulte, sein Gesicht tränennass, und er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte niemanden anrufen.
    Er versuchte, die Finger zu bewegen, und schrie wieder vor Schmerz auf, aber sie bewegten sich. Nichts abgetrennt, aber er sah Knochen und Sehnen, und da war Blut und die Haut zusammengeschoben an einer Seite, und er hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Er lehnte sich an und wandte den Blick ab. Nicht hingucken, sagte er sich. Ganz ruhig.
    Sie würde entkommen. Wenn er nicht dort rausging und diese Bretter festnagelte, würde sie entkommen. Er hatte keine Zeit, sich um seine Hand zu kümmern.
    Eine Taschenlampe, sagte er. Ich brauche eine Taschenlampe, und dann muss ich einen Hammer finden.
    Er hatte alle Schubladen aus Küche, Speisekammer undFlur geleert, also würde eine Taschenlampe in dem Haufen auf dem Rasen sein. Mist, sagte er.
    Er ging raus, und es schien einfach hoffnungslos. Ein großer Haufen zerknüllter Fotos und der ganze Krempel darunter. Er tastete mit seiner heilen Hand, hielt die linke in die Luft, ein grausamer Schmerz, Blut, das den Arm herunterlief. So viele Formen in dem Haufen. Aus Plastik und Metall und Gummi und Papier, und das Mondlicht überhaupt keine Hilfe. Hier auf dem Rasen, auf den Knien, während seine Mutter hämmerte und bald ausbrach, mit dieser zerstörten Hand, war er verdammt. Er kam ins Gefängnis. Es gab keinen Ausweg. Dann fiel ihm ein, dass sie im Kofferraum Taschenlampen hatte.
    Er rannte in die Küche, wo die Schlüssel hingen, ging zum Wagen, öffnete den Kofferraum und wühlte in der Notfallkiste. Wasserbehälter, Nahrungsriegel, Notdecke und zwei Taschenlampen. Er schnappte sich eine und rannte ums Haus herum, am Feigenbaum vorbei. Der Lichtkegel unstet, die Welt ein Flickenteppich.
    Fleckige Erde im Kegel, der Schuppen ein Strudel, den er umkreiste, ein Sog zum alten Holz, in die Mitte, zu seiner Mutter, der Planet am Kippen.
    Er wurde zum Geräteschuppen gespült, strandete vor der Tür, ließ den Kegel umherhuschen und entdeckte an einer Wand ordentlich aufgereihte Hämmer. Nahm einen, ließ die Taschenlampe fallen, kämpfte sich gegen die Strömung zurück, den Hammer erhoben wie ein Kriegsgerät. Aaah, schrie er und stapfte an der Wand entlang, bis er das Brett angreifen konnte, das sie zu befreien versuchte.
    Galen trat mit dem Fuß und rammte mit der Schulter, duckte sich gegen die Flut und hämmerte drauflos, versenkte die Nägel erneut im Querbalken. Er traf nicht die alten Löcher, aber neu eingeschlagen waren die Nägel sowieso stabiler. Schwarzes Holz, alt, aber dick und noch immer stark genug, ein handgesägtes Brett. Gefurcht und geriffelt an der Oberfläche.
    Seine Mutter trommelte und schrie auf der anderen Seite. Er spürte die Stöße. Aber er hämmerte weiter, schlug die beiden großen Nägel ein, bückte sich und prügelte die unteren Nägel in einen weiteren Querbalken nur Zentimeter über dem Boden. Er roch die Erde und begriff, dass es keine Flut gab. Gestrandet in der Wüste. Die Erde allerdings in Bewegung, was einen festen Stand erschwerte. Dieser ganze Krach mitten in der Nacht, doch sie waren allein. Niemand sonst auf dieser Welt.
    Er nagelte das Brett fest, lehnte sich zurück und brüllte in die Leere, sein Kampfgeheul, sein Triumph, rannte in die Plantage, schüttelte den Hammer und die zerquetschte Hand, schreckliche Anhängsel, Klauen, die das Weltgewölbe krallen und herabreißen konnten. Die Erde bäumte sich unter ihm, die Furchen vom Mond bemalt, und er rannte wieder, sprang von Furche zu Furche. Der Schmerz ein Puls im Gefüge, und der Zorn kochte, und er wollte töten.
    Er rannte die Furchen entlang, bis er mit voller Wucht gegen das lose Brett schlug, hinfiel und wieder aufstand, um mit dem Hammer darauf loszugehen. Seine Mutter drückte von der anderen Seite, aber sie war nichts. Die Nägel verschwanden, und sie konnte ihn nicht aufhalten.
    Die Nägel höher gestimmt, je kürzer sie wurden, bis die Schläge flach wurden, das Brett flach

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