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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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dicke Fettbeutel hatte sehr wenig Wasser und musste vorsichtig gehalten werden. Nicht fallen lassen. Wenn er ihn fallen ließ, war alles verloren. Also starrte er aufs Gestein, setzte jeden klackenden Schritt mit Bedacht.
    Galen wusste, dass Jahre vergingen, dass er keineChance hatte, alle Bäume rechtzeitig zu erreichen. Vielleicht erreichte er nicht mal den nächsten. Das Wasser schwand beim Gehen, war nur noch ein Film an den Fettwänden.
    Die Oberfläche des Planeten bog sich. Aber das andere Problem war die Schmelze. Die Schmelze hielt ihn auf, weil er nicht wegsehen konnte. Ein tiefes Rot, verwandeltes Gestein, alle Muster rund und schwarz umrandet, ein langsames Kochen und Aufwallen, dann ein Verblassen, wenn der Stein abkühlte und seine Farbe verlor.
    Selbst beim Aufwachen ging er weiter, hielt am Traum fest, versuchte, ihn zu verlängern und zu begreifen. Ging zum nächsten Baum. Seltsamer Traum. Er versuchte, nicht zu denken, nicht seinen Wachverstand ranzulassen, versuchte, zurückzukehren zum großen Verstand. Aber der kleine Verstand weigerte sich. Galen musste pinkeln, und der kleine Verstand konzentrierte sich sehr darauf.
    Schön, sagte er, stand auf und pinkelte in die Toilette seiner Mutter, und nichts erschien wirklich. Hier im Bad seiner Mutter zu stehen, von Dreck überzogen. Im Bett seiner Mutter zu schlafen. Seine Mutter noch da draußen. Das ergab alles keinen Sinn, und er wollte nicht mehr mitmachen. Er wollte wieder einschlafen und träumen.
    Also legte er sich hin und weigerte sich aufzuwachen. Er war noch immer erschöpft, unglaublich müde, und schaffte es, erneut dem Verstand zu entfallen, bis er wieder aufwachte, diesmal ohne Träume, mit trockenem Mund und einem hungrigen Magen.
    Er stand auf, pinkelte wieder und beugte sich zum Wasserhahn hinunter, um zu trinken, Schluck auf Schluck, so trocken. Die Zahnbürste seiner Mutter, lila und weiß, etwas aus einem anderen Leben, einem Leben, das bereits schwer zu erinnern oder auch nur zu glauben war. Wer wir jetzt sind, sagte er.
    Er ging in die Küche hinunter, Beine schmerzhaft steif, Gelenke, die klackten wie im Traum, Knochen, die beim Gehen schnappten. Die Hüften saßen nicht mehr richtig.
    Erneut das Problem, was man essen sollte. Eine ständige Erinnerung daran, dass Inkarnation Versklavung war. Er wollte das Essen einfach hinter sich lassen, wollte seinen Magen herausreißen und sich anderen Dingen widmen. Aber er ließ sich nicht ignorieren. Fordernd und begierig, und solange er ihm nicht nachgab, hatte er keine Ruhe.
    Was wünschen Eure Majestät?, fragte er. Die Speisekammer ein Farbenwirrwarr, aber das Bunteste eine große Dose Obstsalat. Die knallroten Kirschen, Gelbes und Weißes und Grünes, die Trauben. Alles in zu süßem Sirup.
    Schwere Dose. Er hielt sie an den Öffner, während der sich drehte. Obstsalatsandwiches, sagte er.
    Galen häufte das Obst in eine Hängematte aus Brot und biss hinein, das Brot teigig von der Flüssigkeit. Er aß eine einzelne Kirsche, schmeckte den Farbstoff. Von den Kirschen abgesehen waren alle Früchte gleich geworden, alles ein Geschmack. Es war einfach Obst, nicht Pfirsich oder Birne oder Traube oder was immer. Und das galt auch für das Leben der Menschen, gleiche Arbeit,gleiche Häuser, diese Häuser auf der anderen Seite der Mauer. Doch nicht Galens Leben. Galens Leben war anders. Er trug Dreck, und das war der große Unterschied. Den Menschen erkennt man an seiner Kleidung.
    Galen würde heute Bäume gießen. Dazu musste er seinen Fleischbeutel mit dem bisschen Wasser mitführen und jeden Baum in dieser Landschaft aus schwarzem Gestein und Schmelze mit einigen Tropfen versorgen. Wobei die Plantage aus Erde bestand, nicht Gestein, und zwischen den Stämmen lagen nicht Meilen, die sich auftaten und streckten. Wie der Traum in die Wachwelt passte, war nie ganz klar.
    Galen ließ das Brot liegen, gabelte das Obst in großen Happen aus der Dose und kaute schnell. Er wusste, dass der Gedanke, vor dem er sich fürchtete, seiner Mutter galt. Essen immer ein Ersatz, nie das Eigentliche. Er schnürte seine Schuhe und trat hinaus in die Gluthitze.
    Bereits Nachmittag, ein Brennofen für Ziegelsteine, trocken und stechend in der Lunge. Jeder Tag wirkte heißer denn je, aber es war alles dasselbe Inferno. Der Schuppen vom grellen Licht geblichen, Hitzeflimmern auf der Plantage, tatsächliche Wellen wie geschmolzenes Glas einige Handbreit über dem Boden, die die Konturen von Baumstämmen und

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